
Sachsen "Walt Disney des Ostens": Wie Hannes Hegen mit seinen "Digedags" bis heute begeistert
Dig, Dag und Digedag gehörten zu den bekanntesten Comicfiguren der DDR und prägten mit ihren Abenteuern ganze Generationen. Zum 100. Geburtstag ihres Schöpfers Hannes Hegen wird sein Erbe neu gewürdigt – mit multimedialen Lesungen im Theater am Wettiner Platz in Dresden und einem bislang unveröffentlichten Comic, der im Juni erscheint. Dieser basiert auf zwei kürzlich entdeckten Manuskripten aus Hegens Nachlass.
- Ein Dresdner Theater feiert den 100. Geburtstag von Hannes Hegen mit "Digedags"-Lesungen.
- Im Juni soll außerdem eine neue, bisher verschollen geglaubte Ausgabe des Comics erscheinen.
- "FAZ"-Comicexperte Andreas Platthaus bezeichnet Hannes Hegen als "Walt Disney des Ostens".
Die "Digedags" waren drei Kobolde, die mit ihren legendären Zeitreisen von 1955 bis 1975 in der DDR für Furore sorgten. Die Comics waren damals für 60 Pfennig heiß gehandelte Bückware an den Zeitungskiosken. "Wer wie unsere Familie ein Abonnement hatte und die Hefte Monat für Monat in den Hausbriefkasten geliefert bekam, galt ja schon als privilegiert", erinnert sich Peter Förster.
Der künstlerische Leiter des Theaters am Wettiner Platz in Dresden ist heute noch begeistert und hat die "Digedags" zum 100. Geburtstag ihres Erfinders Hannes Hegen auf die Bühne gebracht. Und das, obwohl Förster strenggenommen gar keine Aufführungsrechte dafür hat.
Comics aus DDR in Dresden auf der Bühne
Die Aufführungsrechte an den "Digedags"-Abenteuern sind heute offensichtlich so schwer zu bekommen wie damals in der DDR ein Heft am Zeitungskiosk. Aber auch wenn Peter Förster die Hüter des Nachlasses von Hannes Hegen beim Zeitgenössischen Forum in Leipzig nicht von seinen Plänen überzeugen konnte – beim Nürnberger Tesslof-Verlag, der die alten Hefte in neuen Sammelbänden herausgibt, hatte er Glück.

Peter Förster, der künstlerische Leiter des Theaters am Wettiner Platz in Dresden, war schon als Kind "Digedags"-Fan.
Er konnte dessen Lizenzabteilung davon überzeugen, dass er die "Reise nach Venedig" nur in den originalen Bildern zeigen und dazu den Text vorlesen lassen möchte. "Und so haben wir eben einen Vorzeige- und Vorlesevertrag abgeschlossen", lacht er, und hat schon mal Vorstellungen bis in den Dezember hinein geplant.

Original des ersten Mosaik-Heftes aus dem Dezember 1955
Neuer "Digedags"-Comic erscheint im Juni
Doch es gibt noch andere Geburtstagsgeschenke für die Fangemeinde von Hannes Hegen. So hat man in seinem Nachlass unlängst zwei verschollen geglaubte Manuskripte gefunden, die in den 50er-Jahren verboten wurden.

Johannes Hegenbarth Anfang der 50er-Jahre in Berlin
Ulf Graupner und Steffen Jähde, zwei ehemalige Zeichner der "Mosaik"-Comics, haben die alten Vorlagen zu neuen Heften komplettiert. Das erste schreibt die bekannte Episode um den deutschen U-Boot-Erfinder Wilhelm Bauer weiter und erscheint Mitte Juni unter dem Titel "Duell an der Newa". Allerdings sind die 24 Seiten nicht mehr für 60 Pfennige, sondern für 15 Euro zu haben. Was für eine Wertsteigerung!

Johannes Hegenbarth mit einem seiner Mitarbeiter im Atelier.
Hannes Hegen – der "Walt Disney des Ostens"
Höchste Wertschätzung erweist den "Digedags" und ihrem Schöpfer auch der ausgewiesene Comicexperte und Literaturchef der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Andreas Platthaus. Im Gespräch mit MDR KULTUR attestiert er den Zeitreisen der drei Kobolde "eine bis heute anhaltende zeitlose Wirkung – und somit Weltniveau". Ein Urteil aus zeitlicher Distanz, das den damaligen Machern und wohl auch ihren argwöhnischen Beobachtern in den SED-Kulturbehörden runtergegangen wäre wie das sprichwörtliche Öl. Denn Weltniveau schrieb man sich in der DDR bekanntlich immer gern und nur selten erfolgreich auf die Fahnen des Fortschritts.
So gesehen war Hannes Hegen ein Walt Disney des Ostens. Andreas Platthaus, "FAZ"-Literaturchef |

Die frühen Digedags auf einem Titelbild eines "Mosaik"-Heftes.
Andreas Platthaus zieht in diesem Zusammenhang einen sehr interessanten Vergleich von Hannes Hegen mit Walt Disney: "Ich würde behaupten, vom Charakter her waren sich die beiden irre ähnlich." Der Experte macht das an der Perfektion der beiden fest. Beide zeichneten nicht selbst, sondern ließen zeichnen und konnten eine tolle Organisation aufstellen. Außerdem ließen sie neben sich niemanden hochkommen und wussten jeweils genau, dass das, was sie taten, genau richtig ist. Darüber ließen sie keine Debatten zu. "So gesehen, war Hannes Hegen ein Walt Disney des Ostens", gibt Andreas Platthaus zu Protokoll.
Wie weiter mit dem Erbe von Hannes Hegen?
Es bleibt die Frage, wie es um die nachhaltige Wirkung der "Digedags" im Hier und Heute steht. Der hallesche Künstler Moritz Götze hat mit seinen gemeinsam mit dem Kurator Peter Lang entwickelten Wanderausstellungen zum Thema nicht nur die Renaissance der "Digedags" befeuert, sondern letztendlich auch dafür gesorgt, dass Hannes Hegen seinen kompletten Nachlass dem Zeitgenössischen Forum in Leipzig übereignet hat.

"Mosaik"-Comiczeitschriften aus Ungarn, den Niederlanden und England (von links).
Der Klassiker hat seinen Platz im Museum gefunden. Doch gerade mit dem Blick auf die jüngere Generation zeigt sich Moritz Götze eher skeptisch: "Ich habe das Gefühl, dass das für heutige Kinder gerade wegen der Textlastigkeit und dem Fehlen der klassischen Sprechblasen etwas zu komplex ist." Die Kinder aus seinem Umfeld würden heute nicht mehr in eine "Mosaik-Manie" verfallen.
Weitere Informationen zur "Digedags"-Lesung in Dresden (zum Ausklappen)
"Die Reise nach Venedig"
bebilderte Lesung
Adresse:
Theater am Wettiner Platz
Eingang Jahnstraße, Wettiner Platz 10, 01067 Dresden
Nächste Termine:
18. Mai, 11 Uhr
6. Juni, 20 Uhr
redaktionelle Bearbeitung: sg, vp