
Sachsen Wie sich die HGB in Leipzig von den Nazis vereinnahmen ließ
In der Ausstellung "1933–1945 HGB" stellt sich die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig ihrer Geschichte im Nationalsozialismus. Fundstücke aus Archiven sollen in chronologischer Abfolge einen Einblick in die Kunsthochschule in der NS-Zeit geben: Welche Professoren wurden entlassen? Welche Studieninhalte vermittelt?
- In der Hochschulgalerie der HGB wird der aktuelle Forschungsstand zur Zeit der Hochschule im Nationalsozialismus gezeigt.
- Die Ausstellung offenbart die Bedeutung der Hochschule in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts und erste Einflüsse der Nazis.
- Professoren wurden entlassen und ersetzt, Lehrinhalte nach den Vorgaben des NS-Regimes angepasst.
Die HGB, die heutige "Hochschule für Grafik und Buchkunst", ist eine Institution mit einer wechselvollen Geschichte. Ihre Gründung geht auf das Jahr 1764 zurück. Vieles in dieser langen Zeit ist erforscht. Aber es gibt bis heute auch Leerstellen.
Besonders, was die Zeit des Nationalsozialismus betrifft. Dass gerade in den Zeiten von politischen Umbrüchen Akten und Unterlagen bewusst vernichtet wurden und es außerdem kein kontinuierlich geführtes Archiv der Hochschule gibt, macht die Rekonstruktion dieser Jahre nicht gerade leicht.
Ein White-Cube über die braunen Jahre
Mit der Ausstellung "1933–1945 HGB" will man das ändern und präsentiert in der Hochschulgalerie den derzeit aktuellen Forschungsstand zu diesen Jahren. Die weißen Wände des Ausstellungsraums sind mit übergroßen schwarzen Zahlenfolgen beklebt. Schnell wird klar, dass es hier um eine Chronologie des Faktischen geht.

Die Ausstellung ist durch einen Zeitstrahl an der Wand klar gegliedert.
Passend zu den jeweiligen Jahrgängen haben die Ausstellungsdesigner Merle Petsch und Emil Kowalczyk die Jahrgangszahlen mit Dokumenten, Briefen, Reproduktionen und Zeitzeugenberichten überklebt. Dieses grafisch raffinierte, inhaltlich aufregende Vorgehen fußt auf der akribischen Forschungsarbeit von Julia Blume, die sich seit den 1990er-Jahren den Aufbau und die Pflege des Hochschularchivs zur Lebensaufgabe gemacht hat.
Es war eine extrem internationale Hochschule, weil sie auch ein einzigartiges Profil aufgewiesen hat. Julia Blume, Hochschularchivarin der HGB |
Wie das NS-Regime in die Kunsthochschule sickert
Gerade in den ausgehenden 1920er- und beginnenden 1930er-Jahren genoss die Ausbildungsstätte, die damals als "Akademie für grafische Künste und Buchgewerbe" firmierte, eine weltweite Reputation. "Die Studierenden kamen nicht nur aus Deutschland und Europa, sondern auch aus den USA und sogar aus Indien", erklärt Julia Blume. "Es war eine extrem internationale Hochschule, weil sie auch ein einzigartiges Profil aufgewiesen hat."

Vor der Machtübernahme der Nazis genoss die "Akademie für grafische Künste und Buchgewerbe zu Leipzig" internationales Ansehen.
Die Ausbildung war weniger auf die Ausübung der freien Malerei, als auf die Fertigkeiten ausgerichtet, die das Buchgewerbe und die polygrafische Industrie erforderten. Fachlich eine Top-Adresse, getragen vom bürgerlichen Freigeist der damaligen Buchstadt Nummer Eins in Deutschland, wenn nicht gar der Welt.
Was sich 1933 dann nicht über Nacht, aber mit einer ersten Personalentscheidung langsam ändern sollte. Der angesehene Illustrator, der künstlerische Verlagsleiter des Propyläen-Verlags und Präsident der Internationalen Buchausstellung Hugo Steiner-Prag hatte seit 1910 eine Professur an der Akademie, war ein in der Stadt hochangesehener Mann. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft war er der Erste, der 1933 entlassen wurde – wovon er laut Julia Blume in der Zeitung erfuhr.

Neben Fotos, Dokumenten und Zeichnungen wird auch Hitlers Schrift "Die Kunst ist die stolzeste Verteidigung eines Volkes" präsentiert.
Kunst unter nationalsozialistischer Doktrin
Er verließ die Stadt und exilierte letztlich in die USA, wo Julia Blume im New Yorker Leo-Baeck-Institut seine Tagebücher aufspürte. Neben vielen lokalen eine wichtige internationale Quelle ihrer Nachforschungen. In den Jahren nach 1933 wurde der damals rein männlich besetzte Leipziger Lehrkörper vom zuständigen Dresdner Ministerium mit NS-genehmen Kadern umgebaut. Mit Kriegsbeginn 1939 lichteten sich dann die männlichen Reihen. Die Front rief und forderte ihre Opfer.

Studentinnen beim Unterricht mit Professor Heinz Dörffel, 1943. Zum Wintersemester 1944/45 waren nur noch 22 Studentinnen an der Akademie eingeschrieben.
Zu Beginn des Wintersemester 1944/45 waren gerade mal noch 22 Studentinnen eingeschrieben, hat Julia Blume herausgefunden. Der Unterricht habe zwar weiterhin stattgefunden, sich aber verändert, so Blume. Die Ausbildung richtete sich an den Maßgaben der nationalsozialistischen Kunstdoktrin aus. Der Holzschnitt wurde zur favorisierten grafischen Technik, die Natur und das bäuerliche Leben zur bevorzugten Thematik. Im Jahr 1940 wurde in Zusammenarbeit mit der Industrie das Institut für Farbenfotografie gegründet. Hier ging es inhaltlich um die Erfassung von Denkmalen im Rahmen des "Führerauftrags Monumentalmalerei".
Die Hochschule lag 1945 nicht nur baulich in Trümmern, sondern auch von der gesamten Idee, was diese Akademieausbildung bedeutet hatte. Julia Blume, Hochschularchivarin der HGB |
Die Ausstellung präsentiert solche bislang unbekannten Fakten, zeigt aber ganz klar noch verbliebene Leerstellen beim aktuellen Kenntnisstand auf. Für Julia Blume kein Manko. Sie glaubt, dass die Ausstellung erste Klarheiten über diese Zeit vermittelt und stellt eine interessante These in den Raum, wenn sie sagt: "Ich würde behaupten, wenn diese Akademie in den 1920ern eine international bedeutsame Schule war, dann war sie 1945 etwas, was nicht nur baulich in Trümmern lag, sondern tatsächlich auch von der gesamten Idee, was diese Akademieausbildung bedeutet hatte."
Mehr Informationen zur Ausstellung
"1933–1945 HGB"
Eine Ausstellung des HGB-Archivs
3. bis 26. Juni 2025
Eröffnung am 03. Juni 2025, 18 Uhr
Öffnungszeiten:
Mittwoch und Donnerstag 13:30 bis 17:30 Uhr,
Freitag 14:30 bis 18:30 Uhr und nach Vereinbarung
Adresse:
HGB Galerie
Wächterstraße 11
04107 Leipzig
Eintritt frei
Redaktionelle Bearbeitung: hro, lm