
Sachsen-Anhalt Geburtenkontrolle per Eiertausch: Preisgekrönter Taubenschlag am Hauptbahnhof Halle
Halle verzeichnet einen Erfolg: Seit vier Jahren gibt es am Hauptbahnhof einen Taubenschlag, der die Tiere aus dem Gebäude herauslocken soll. Das Konzept hat auch einen Preis geholt.
In Halle steht einer von ganz wenigen betreuten Stadttaubenschlägen in Sachsen-Anhalt. Es ist der einzige, der gemeinsam von der Deutschen Bahn und einem Tierschutzverein betrieben wird. Nach vier Jahren steht fest: Es funktioniert, das Taubenproblem auf dem Halleschen Hauptbahnhof ist kleiner geworden.
Erwartungsvoll blicken Dutzende Tauben vom Dachfirst aus zu, wie Sarah Jerxsen das Dach des Hauptbahnhofs betritt. Sie wissen, gleich gibt es Futter. Auf dem Bahnhofsdach steht seit vier Jahren ein Holzhaus, ausgestattet mit Nistregal und Sitzbrettchen, Tränke und Futterraufe, der Boden bedeckt mit Sägespänen - ein betreuter Schlag für Stadttauben. Sarah Jerxsen gehört zum Verein Tierschutz Halle und übernimmt heute den Kontrollgang und die Fütterung. Sie tastet die Nester ab, sucht nach frisch gelegten Eiern.

Sarah Jerxsen kontrolliert die Nester.
Eiertausch als Geburtenkontrolle
"Alle Eier tauschen wir aus gegen Eier aus Ton", erklärt sie und zeigt zwei Exemplare. Geburtenkontrolle für Stadttauben. So sollen die Schwärme von Stadttauben verkleinert werden. Zum Wohl von Mensch und Tier, denn Stadttauben führen ein elendes Dasein, Menschen fühlen sich belästigt, die Reinigung von Plätzen und Fassaden ist mühsam.
Das kennt auch Kasten Kammler, der das Bahnhofsmanagement in Halle leitet. "Wir hatten immer viele Tauben am Bahnhof", weiß er, "wir haben versucht, die Tauben mit Netzen zu vergrämen."

Durch gefälschte Eier werden die Geburtenzahlen der Tiere kontrolliert.
Vergrämung ohne Erfolg
Netze und Spikes konnten die Tauben nie dauerhaft fernhalten. Oft spießten sich Tiere in Spikes auf oder waren gefangen hinter Netzen. Dann musste das Bahnhofsmanagement den Hubsteiger holen, um die Tauben zu befreien. "Wir haben nach einer gesamtheitlichen Lösung gesucht", blickt Karsten Kammler zurück.
Diese nachhaltige Lösung war das Augsburger Modell - also ein betreuter Taubenschlag mit Fütterung und Eiertausch. Die Bahn steckte das Geld, das sie bisher in Vergrämung, Reinigung und Befreiung von Tauben gesteckt hat, in die Errichtung und Betreuung des Taubenschlags.

Alle bisherigen Maßnahmen halfen nichts - jetzt soll der Schlag dazu führen, dass die Zahlen weiter nach unten gehen.
Zaghafte Anfänge
"Wir hatten deutlich mehr Tauben hier, als heute noch wahrnehmbar sind", beteuert Karsten Kammler. Doch das war ein Prozess. "Es hat gedauert, bis die Tauben den Schlag angenommen haben", berichtet Sarah Jerxsen. "Inzwischen ist ein Schlag für Halle viel zu wenig, weil auch der Schwarm vom Riebeckplatz hergezogen ist".
Sicher wäre der Erfolg noch viel größer, wenn es nicht in der Umgebung so viele Plätze gäbe, wo Tauben wild brüten und ihren Nachwuchs großziehen können.
Fütterungsverbot pro und contra
Füttern ist in Halle überall verboten. "Die übermäßige und unkontrollierte Fütterung stellt die Hauptursache für das wachsende Problem der verwilderten Haustauben in der Stadt Halle dar", antwortet die Stadt Halle auf Anfrage des MDR. Sarah Jerxsen sieht ein generelles Fütterungsverbot kritisch: "Fütterungsverbote sind nur in Ordnung, wenn es Alternativen gibt, also betreute Taubenschläge."
Laut einem Gutachten, das die Stadt Berlin anfertigen ließ, sind Stadttauben keine Wildtiere, sondern verwilderte Haustiere. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Kommunen Stadttauben füttern müssen - Verbote seien rechtswidrig. Stadttauben finden in den Städten keine artgerechte Nahrung. Die Folge von Pizza, Brötchen oder Erbrochenem ist nicht nur Hunger, sondern auch der weiße, flüssige Kot.
Fütterungsverbote verstoßen gegen das Bundestierschutzgesetz. Im Paragraph 1 ist dort festgehalten: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen."
Wenn allerdings im Umfeld von betreuten Schlägen gefüttert wird, sei Fütterung kontraproduktiv, findet Sarah Jerxsen und unterstützt das Verbot rund um den Bahnhof. Denn sonst würden die Tiere nicht wie angestrebt in den Schlag kommen, wo ihre Eier ausgetauscht werden können.
Wahrnehmbarer Erfolg
Etwa 50 bis 60 Tauben leben im Taubenschlag am Bahnhof und brüten dort. Der betreute Schlag ist erfolgreich. "Es ist wahrnehmbar", versichert Karsten Kammler, "das sagen Kollegen und Händler. Aber Tauben sind Gewohnheitstiere, deshalb wird es noch dauern, bis wir sie alle aus dem Bahnhof heraushaben."
Einzelne Tiere sieht man noch immer im Bahnhofsfoyer nach Fressbaren suchen oder vom Sims aus die Halle beobachten. Die letzten Netze dort oben sollen aber auch noch verschwinden.

Alle Tiere sind noch nicht aus dem Bahnhof verschwunden.
Tierschutzpreis für gemeinsames Taubenhaus
Erst vor zwei Jahren hob der Landtag von Sachsen-Anhalt den Schädlingsstatus für Stadttauben auf - wissenschaftlich gilt er schon lange als überholt. Damit wurde die Grundlage für betreute Taubenschläge nach dem Augsburger Modell gelegt, die es in weit über 100 Kommunen Deutschlands gibt. In Sachsen-Anhalt sind es nur sehr wenige. Das Taubenhaus in Halle wurde im vergangenen Jahr mit einem Landestierschutzpreis ausgezeichnet und könnte auch anderen Kommunen als Vorbild dienen.
MDR (dst)