
Sachsen-Anhalt Hunnebrössel in Dannefeld: Ein Dorf feiert einen uralten Brauch
Im altmärkischen Dannefeld wird seit mehr als 130 Jahren Hunnebrössel gefeiert – ein wilder Pfingstbrauch. Die Männer verkleiden sich, tragen gruselige Masken und ziehen durchs Dorf, um Eier und Spenden zu sammeln. Der Brauch geht auf ehemalige Mägde und Knechte zurück, die nur einmal im Jahr "losgelassen" wurden.
Ab fünf Uhr früh herrscht Hochbetrieb im Festzelt von Dannefeld. Die meisten in dem kleinen Ort in der Altmark schlafen noch, aber rund 50 Männer eilen durch die Halle – sie verkleiden sich – je gruseliger, desto besser. Einige von ihren wickeln, binden, stopfen Birkengrün. Denn einer von ihnen wird heute zum Maikerl gemacht, verdeckt unter einem 60 Kilo schweren Gewand aus Ästen, Blättern und einem großen Blumenkreuz auf dem Rücken.

Der Maikerl (Mitte) sieht unter dem Blattgrün nicht und muss vom Schöpp Rald Blankau (links) und vom Schult Thomas Krieg (rechts) durch den Ort geführt werden.
Ein Fest mit tiefen Wurzeln
Ein Moment, der normalerweise geheim ist – doch in diesem Jahr durfte ein MDR-Kamerateam dabei sein. "Es ist eine Ehre", sagt Steffen Blankau, Maikerl 2025. "Ich wollte das schon lange mal machen. Klar, das ist nicht ohne – 60 Kilo trägt man nicht einfach so. Aber ich habe mir fest vorgenommen, durchzuhalten."
Was heute wie ein schrilles Dorffest mit Masken und Musik wirkt, hat tiefe Wurzeln. Der Name "Hunnebrössel" leitet sich – laut Vereinspräsident Daniel Sobainski – vom Reitervolk der Hunnen ab. "Brössel" wiederum steht für Schmuddel oder Dreck. Früher, so erzählt er, waren es vor allem Knechte und Mägde, die nur einen Tag im Jahr frei hatten – und an diesem Tag richtig über die Stränge schlugen. Das stecke bis heute in diesem Brauch drin.

Hunnebrössel und Dorfbewohner tanzen auf den Straßen.
Maskierte gehen von Haus zu Haus
Punkt sieben Uhr geht es los: Die Hunnebrössel, gekleidet in weiße Baumwollunterhosen und T-Shirts, maskiert mit teils furchteinflößenden Gesichtern, ziehen durchs Dorf. Mit Haselnussruten, Kiepen und Trommel besuchen sie Haus für Haus, sammeln Eier, Speck und Spenden.
Das eingesammelte Essen wird später zum großen Eierback verarbeitet – von jungen Frauen, den sogenannten Eierbackmädels. "Wir sind hier das Kernstück", sagt Antonia Lüdecke, Sozialversicherungsangestellte und Mitorganisatorin. "Die Männer sammeln, aber wir machen daraus was Schönes – das bleibt jedes Jahr an uns hängen, und wir geben uns große Mühe." Nur wer mindestens konfirmiert ist und höchstens Mitte 20 darf mitmachen. Für die Eierbackfrauen ist es ein fester Termin im Jahr. "Wir machen das für die Männer", sagt Amy Krieg, Auszubildende und ebenfalls Teil des Eierbackteams. "Und die geben uns mit der Tradition auch was zurück."

Die Eierbackfrauen dürfen nicht älter als Mitte zwanzig sein und kümmern sich um die Verpflegung der Hunnebrössel.
Hunnebrössel sammeln Spenden für soziale Projekte
Mehr als 1.000 Menschen kommen jedes Jahr zum Hunnebrössel – in einen Ort mit kaum 400 Einwohnern. Gaby Wolff, Verkäuferin aus Oebisfelde, reist jedes Mal an: "Ich bin Dannefelderin. Pfingsten zieht es mich einfach wieder nach Hause." Und es geht längst nicht nur ums Feiern. Der Verein Hunnebrössel e.V. unterstützt mit den Spendeneinnahmen soziale Projekte in der Region. "Wir geben an Kitas, fördern Projekte – und haben zuletzt 2.500 Euro für die Restaurierung einer 350 Jahre alten Bauernfahne in der Kirche beigesteuert", sagt Daniel Sobainski.
Am Mittag wird das große Geheimnis gelüftet – der Maikerl wird entkleidet, sein Gesicht sichtbar. Doch für ihn ist der Tag dann längst nicht vorbei: Kindertanz, Walzerball, Festansprachen – gefeiert wird bis tief in die Nacht. Emilia Schule, Abiturientin, fasst es so zusammen: "Ich bin damit aufgewachsen. Es ist eine schöne Tradition, mit dem Dorf zusammenzukommen und gemeinsam Zeit zu verbringen."

Die Entkleidung des Maikerls ist der Höhepunkt des Festumzugs.
Nach dem Fest ist vor dem Fest
Was viele nicht sehen: Kaum ist der Hunnebrössel vorbei, beginnt in Dannefeld schon wieder die Planung für das nächste Jahr. "Wir fangen direkt nach Pfingsten wieder an", sagt Vereinspräsident Daniel Sobainski. Denn das Volksfest ist groß geworden – das Festzelt, die Bands, Verpflegung, Technik, Toiletten – all das muss organisiert werden. Wer übernimmt welche Aufgabe? Wer kümmert sich um die Anmeldung? "Das ist für unseren kleinen Ort und unseren Verein jedes Jahr eine Riesenleistung – aber genau das bringt die Leute hier zusammen", sagt Sobainski. Und es bindet auch die Jüngeren an ihre Heimat – viele kommen nur wegen des Hunnebrössels zurück.
MDR (Carina Emig, Marius Rudolph)