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Sachsen-Anhalt Kabarettist Pölitz: Müssen mehr junge Menschen für Satire begeistern
Die Überalterung der Gesellschaft macht auch vor Kabarett-Bühnen nicht Halt. Das hat eine Befragung von MDR KULTUR in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ergeben. Viele Häuser wie die Magdeburger Zwickmühle versuchen daher gezielt, ein jüngeres Publikum zu gewinnen. Aus Sicht des Leiters Hans-Günther Pölitz ist es dafür nötig, Menschen so früh wie möglich für Satire zu begeistern. Damit müsse man schon in der Schule beginnen, erläutert er im Interview.
- Aus Sicht des Leiters der Magdeburger Zwickmühle werden Jugendliche nicht ausreichend auf politisches Kabarett vorbereitet.
- Schüler- und Jugend-Kabaretts könnten seiner Meinung nach dabei helfen, junge Menschen an Satire heranzuführen.
- Zwar besuchen auch Jüngere das Kabarett in Magdeburg, aber nur wenige werden zu Stammgästen.
MDR KULTUR: Herr Pölitz, die Zwickmühle betreibt ihre Spielstätte in der Leiterstraße seit 1996. Damals waren Sie 44. Ist das Publikum mit Ihnen gereift im Laufe der letzten 30 Jahre?
Hans-Günther Pölitz: Mit vielen unserer Zuschauer werden wir älter. Aber es kommen vermehrt nicht nur Stammgäste, es findet auch Publikum aus allen Bundesländern den Weg zu uns. Weil sie gehört haben: Wenn ihr in Magdeburg seid, dann müsst ihr unbedingt da hin, da ist noch richtiges politisches Kabarett.
Wie hoch ist der Anteil der neuen Gäste?
Das kann ich prozentual nicht sagen, weil das von Abend zu Abend unterschiedlich ist. Aber wir haben einen großen Teil Stammpublikum, auf das wir auch sehr stolz sind, das uns jahrelang die Treue gehalten hat.
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Hans-Günther Pölitz (links) bei einem Auftritt in der Magdeburger Zwickmühle.
Wir haben bei MDR KULTUR über 12.000 Kabarettbesucher befragt und erfahren, dass 67 Prozent Stammgäste sind. Die Spielstätten selbst schätzten diesen Anteil etwas geringer ein. Die denken, dass mehr neue Leute zu ihnen kommen. Merkt man das denn, wenn man auf der Bühne steht, dass das Publikum mit einem älter wird?
Das merkt man schon allein daran, weil wir bei uns ja die Tradition haben, dass wir den Einlass selbst machen. Und wir haben ja keine Reihen oder nummerierten Plätze, sondern eine Tischbestuhlung, wenn man das so sagen kann. Und wir platzieren die Gäste jeden Abend individuell. Da ergibt sich schon das eine oder andere Gespräch, woraus man merkt: Ah, das ist jemand, der war noch nie hier. Oder andere kennen sich schon aus und wissen ganz genau Bescheid, wie das abläuft.
Zwei von drei der befragten Kabaretts sehen es als existenzbedrohend an, wenn das Durchschnittsalter im Publikum kontinuierlich steigt. Macht Ihnen das Sorgen?
Natürlich macht man sich da schon mal den einen oder anderen Gedanken und wünscht auch den Zuschauern, die zu uns kommen, die unsere Existenz mitsichern, eine lange Gesundheit.
Aber es ist ja das Problem, dass die Jugendlichen, oder was wir heute die Jugend nennen, nur sehr schwer den Schritt über die Schwelle eines Kabaretts tut, weil sie einfach auch gar nicht vorbereitet sind auf das, was wir im politischen Kabarett betreiben.
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Kabarettbefragung
Sind die jüngeren Generationen eine andere Art Humor gewöhnt?
Sie wissen gar nicht mehr, was Satire ist. In einem Land, das wir früher mal gewesen sind, ging das ja schon an der Schule los. Da gab es die Schüler-Kabaretts, dann gab es Jugend-Kabaretts. Die sind ganz automatisch und ganz organisch reingewachsen in das, was wir dann das Erwachsenen-Kabarett oder die Berufs-Kabaretts genannt haben. Die wussten schon was anzufangen mit dem Stilmittel der Satire. Das ist ja heute gar nicht mehr der Fall.
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Die Magdeburger Zwickmühle betreibt politisches Kabarett.
Vielleicht liegt es auch am Nachwuchs auf der Bühne. Der fehlt, oder?
Das weiß ich jetzt nicht, ob das an dem Nachwuchs liegt. Es kommt erstmal auf die Qualität an, die auf der Bühne geboten wird. Und wir haben ja bei uns in Magdeburg eine Reihe engagierter Lehrer, die mit ihren älteren Klassen ins Kabarett kommen. Und wir erleben auch, dass, wenn die Jugendlichen kommen und einmal drin sind, sie von dem angetan sind, was sie sehen.
Und wir erleben auch, dass, wenn die Jugendlichen kommen und einmal drin sind, sie von dem angetan sind, was sie sehen. Hans-Günther Pölitz, Leiter der Magdeburger Zwickmühle |
Also die laufen dann teilweise schon in der Pause mit ihren Smartphones durchs Foyer und dann hört man auch Gesprächsfetzen, wie: Da musst du mal mitkommen, da hörst du Sachen, die hörst du sonst überhaupt nicht. Oder: Ich komme nochmal, wenn du mitgehst.
Und das wird dann im Netz verbreitet. Versuchen Sie auch, Social Media zu nutzen, um an junge Leute ranzukommen?
Wir nutzen Social Media, obwohl ich dieser Sache etwas skeptisch gegenüberstehe. Aber wenn es Werbezwecken dient, dann bedienen wir das auch, ohne dass wir da jetzt große Kommentare abliefern.
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Kabarettbefragung
Haben Sie die Erfahrung schon machen dürfen, Herr Pölitz, dass aus den jungen Leuten das neue Stammpublikum wird?
Die Erfahrung haben wir schon machen dürfen. Aber es ist leider nicht in der Anzahl oder in der Masse, die es eigentlich sein müsste, wenn man das biologische Verhältnis ausgleichen würde.
Quelle: MDR KULTUR (Ellen Schweda), redaktionelle Bearbeitung: vp