Eine Blume liegt 2016 auf einem Sarg bei einem Bestatter.

Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt streitet über ein neues Bestattungsgesetz

Stand: 22.06.2025 14:16 Uhr

Große Grabanlagen sind aus der Mode gekommen. Anonyme Bestattungen liegen stattdessen im Trend. Sachsen-Anhalt plant seit Jahren ein neues Bestattungsgesetz. Jetzt liegt ein Entwurf der Regierungsparteien vor. Der allerdings wird in Teilen von den Kirchen kritisiert.

Von Ulrich Wittstock, MDR SACHSEN-ANHALT
  • Die Kirchen spiele eine besondere Rolle, betreiben sie doch viele Friedhöfe.
  • Die Sargpflicht soll nicht generell aufgehoben werden – doch es soll Ausnahmen laut Gesetzesentwurf geben.
  • Im Herbst 2026 wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag. Bis dahin soll das neue Gesetz verabschiedet sein.

Auf Sachsen-Anhalts Friedhöfen herrscht Leerstand – nicht weil weniger gestorben wird, sondern weil die klassische Beerdigung im Sarg kaum noch stattfindet. Rund 90 Prozent der Beerdigungen sind Urnenbeisetzungen. Dennoch spaltet das Thema Bestattungskultur das Land.

Die einen wollen eine möglichst liberale Lösung, also die Urne auf den Kaminsims stellen, oder alternative Beerdigungsformen zu Urne oder Erdbestattung. Andere befürchten hingegen die Auflösung einer Beerdigungstradition, insbesondere wenn es um das Thema Tuchbeerdigungen nach jüdischem oder muslimischem Ritus geht. Kulturkampf um Totengedenken?

Die Kirchen spielen bei dem Thema eine besondere Rolle, denn viele Friedhöfe werden ja von Kirchengemeinden betrieben. Albrecht Steinhäuser, Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland beobachtet die Debatte schon länger: "Es gibt auf der einen Seite diese große Zurückhaltung gegenüber neueren Entwicklungen, wie die Tuchbestattung. Auf der anderen Seite wächst der Wunsch von Verstorbenen, sich anonym bestatten zu lassen." Deshalb dauerte es wohl so lange, bis endlich ein Entwurf für ein neues Beerdigungsgesetz vorlag.

Zuwanderung auch auf dem Friedhof

Generell soll die Sargpflicht in Sachsen-Anhalt nicht aufgehoben werden. Aber es gibt für begründete Fällen Ausnahmen. Das begrüßen sowohl evangelische wie auch die katholische Kirche. Stephan Rether, Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt, sagt: "Wir sind aber angesichts einer offenen Gesellschaft und angesichts des Respektes gegenüber dem Menschen, der einer anderen Religion angehört, sehr dafür, dass Ausnahmen möglich sind."

Es ist für mich ein erster Schritt in eine weitere Entwicklung der freien Verfügbarkeit und Beliebigkeit im Umgang mit dem Verstorbenen. Wir sprechen uns eindeutig dagegen aus. Stephan Rether, Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt, über sogenannte Erinnerungsdiamanten |

Allerdings gibt es diese Ausnahmen nur für Menschen mit jüdischem oder muslimischem Glauben. Das sei auch eine Form der Religionsfreiheit, so Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser. Aber bei der Beerdigung geht es immer auch um ökonomische Interessen. Da eine Tuchbestattung billiger ist als ein Sarg ist, soll verhindert werden, dass sie nur aus finanziellen Gründen gewählt wird. Deshalb soll die generelle Sargpflicht beibehalten werden.

Streitpunkt Erinnerungsdiamant

Auf Wunsch der mitregierenden FDP in Sachsen-Anhalt gelangte eine bundesweit einmalige Regelung in den Gesetzentwurf: Fünf Gramm Asche des Verstorbenen sollen entnommen werden dürfen, um daraus einen Schmuckdiamanten zu pressen. Für die katholische Kirche ist das klar ein Verstoß gegen die Würde Verstorbener, selbst wenn sie dem zugestimmt haben. Stephan Rether vom Katholischen Büro sagt: "Es ist für mich ein erster Schritt in eine weitere Entwicklung der freien Verfügbarkeit und Beliebigkeit im Umgang mit dem Verstorbenen. Die nächsten Schritte wären dann die Urne auf dem Kaminsims, die Bestattung im privaten Garten oder andere Praktiken, soweit die Fantasie reicht. Wir sprechen uns eindeutig dagegen aus."

In der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands teilt man diese Bedenken nicht. Man könne ohnehin nicht annehmen, dass sich die gesamte Asche eines Verstorben in der Urne findet, so Oberkirchenrat Steinhäuser. Einen Schmuckdiamanten aus Verstorben herzustellen, hält er nicht grundsätzlich für problematisch. Aber auch er hat Bedenken: "Ich würde es aus Gründen des Trauerprozesses nicht empfehlen, weil die Vergegenwärtigung des Verstorbenen durch ein Schmuckstück Trauerprozesse auch behindern kann." Die Würde des Verstorbenen sehe er dadurch aber nicht berührt.

Wir sind angesichts einer offenen Gesellschaft und angesichts des Respektes gegenüber dem Menschen, der einer anderen Religion angehört, sehr dafür, dass Ausnahmen möglich sind. Albrecht Steinhäuser, Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland |

Noch ein Jahr Zeit

Sachsen-Anhalt wählt im nächsten Herbst einen neuen Landtag. Bis dahin soll das neue Bestattungsgesetz verabschiedet sein. Für Oberkirchenrat Steinhäuser ist klar, dass es Änderungen geben muss, auch weil die Menschen inzwischen ein sehr unterschiedliches Verhältnis zum Tod haben. Ob im Sarg, im Tuch, in der Urne oder als Diamant, mit Blick auf die christliche Idee der Auferstehung ist er sich sicher: "Dass der liebe Gott schon zusammentragen wird, was da verstreut ist."

Aber am grundsätzlichen Trend wird wohl das neue Bestattungsgesetz nichts ändern. Auch bei der Beerdigung blicken die meisten auf den Preis, ob mit oder ohne Sargpflicht. Umsonst ist nämlich der Tod weiterhin nicht.

MDR (Daniel George)