Maßregelvollzug Bernburg

Sachsen-Anhalt Salus GmbH plant Sonder-Untersuchung und stellt Vorgesetzten des Attentäters frei

Stand: 22.02.2025 10:33 Uhr

Nach MDR-Enthüllungen über Aussagen des Magdeburg-Attentäters an dessen Arbeitsplatz im Maßregelvollzug wurde nun sein damaliger Vorgesetzter freigestellt. Taleb A. hatte gegenüber Kollegen im August 2024 angedeutet, dass er sich in einem Krieg befinde. Die Betreiberin kündigte außerdem eine Sonder-Untersuchung an.

Von MDR SACHSEN-ANHALT

Nach MDR-Enthüllungen über Aussagen des Magdeburg-Attentäters an dessen Arbeitsplatz ist der Ärztliche Direktor des Maßregelvollzugs Bernburg freigestellt worden. Das teilte die landeseigene Salus gGmbH am Donnerstag mit, die die Einrichtung betreibt.

Attentäter soll Pläne zuvor angedeutet haben

Taleb A. war im Maßregelvollzug als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie angestellt. Gegenüber Kollegen hatte er bereits im August 2024 angedeutet, dass er sich in einem Krieg befinde, dessen Ausgang entweder sterben oder umbringen sein werde. Der Vorfall ist in einer Mail dokumentiert, die MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt.

Klinik: Freistellung "keine Vorverurteilung"

Die vorläufige Freistellung des Ärztlichen Direktors beinhalte ausdrücklich keine Vorverurteilung, heißt in einer Pressemitteilung der Salus gGmbH weiter. Hintergrund seien interne Untersuchungen. Ziel sei es, den ärztlichen Direktor und die Ermittlungen zu schützen.

Am Donnerstag hatte sich der Aufsichtsrat der Salus gGmbH mit den Aussagen von Taleb A. und dem Umgang der Leitung damit beschäftigt. Der Hinweis zum Verhalten des späteren Attentäters sowie die zugehörige E-Mail seien Anfang Februar aufgetaucht, für den Geschäftsführer der Salus gGmbh nach eigener Aussage überraschend. Man wolle nun zur lückenlosen Aufklärung und Transparenz beitragen. Dafür sei das Justiziariat des Unternehmens mit einer internen Sonderprüfung beauftragt worden.

Untersuchung durch externe Sachverständige

Sämtliche Sachverhalte und Kommunikations-Abläufe in Zusammenhang von Taleb A. – von dessen Einstellung bis zur Kündigung – sollen demnach vollständig untersucht werden. Die Untersuchungs-Gruppe werde auf Kolleginnen und Kollegen des Attentäters zugehen. Geplant sei aber auch ein anonymes Hinweisgeber-Portal.

Externe Sachverständige sollen laut Salus zudem aufklären, inwiefern Erkenntnisse zu möglichen psychischen Auffälligkeiten von Taleb A. vorgelegen hätten, welcher psychiatrischen Einschätzung diese unterzogen worden und wie diese zu bewerten seien.

"Krankenrückkehrgespräch" nach Vorfall

MDR-Recherchen hatten in der vergangenen Woche gezeigt, dass der Ärztliche Direktor unmittelbar nach Aussagen von Taleb A. im August 2024 vor Kollegen per Mail darüber informiert worden war. Zehn Tage später, Ende August führte der Direktor mit Taleb A. ein "Krankenrückkehrgespräch", in dem der spätere Attentäter "keine Anzeichen einer Selbst- oder Fremd-Gefährdung erkennen ließ". Damit hatte sich der Vorfall für die Leitung des Maßregelvollzugs erledigt. Etwa vier Monate später hatte Taleb A. mit einem Auto auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sechs Menschen getötet und knapp 300 verletzt.

Die Salus gGmbH ist eine gemeinnützige Betreibergesellschaft für soziale Einrichtungen des Landes Sachsen-Anhalt. Taleb A. war bei Salus angestellt und seit 2020 als Stationsarzt im Maßregelvollzug in Bernburg tätig. Dabei hat er auf drei Stationen Straftäter psychiatrisch betreut. Psychiater und Psychiaterinnen sind dazu ausgebildet, psychische Erkrankungen zu erkennen und zu diagnostizieren. Anders als Psychotherapeuten und -therapeutinnen dürfen sie auch Medikamente verschreiben. Als erste Reaktion auf den Anschlag hatte die Salus gGmbH Taleb A. am 23. Dezember fristlos gekündigt.

dpa, MDR (Daniel Salpius, Alisa Sonntag), zuerst veröffentlicht am 20.02.2025