
Sachsen-Anhalt Standortfrage für JVA-Neubau weiter offen, Weißenfels prescht vor
Die Entscheidung über den Standort eines Gefängnis-Neubaus im Süden von Sachsen-Anhalt lässt weiter auf sich warten. Halle und Weißenfels wollen das Bauprojekt, entscheiden muss aber die Landesregierung. Die ließ eine selbst gesetzte Frist verstreichen. Oppositionspolitiker warnen nun vor einer möglichen Kostenexplosion und verlangen, die Entscheidung nicht unnötig aufzuschieben. Weißenfels will nun mit einem schnellen Baubeginn überzeugen und sieht sich gut im Rennen um die JVA-Standortfrage.
Die Entscheidung über den Standort eines Gefängnis-Neubaus im Süden von Sachsen-Anhalt lässt weiter auf sich warten. Weder das Justiz- noch das Finanzministerium konnten am Mittwoch (18.06.) im Rechtsausschuss einen Zeitrahmen zur Entscheidung für einen der beiden Standorte Halle oder Weißenfels geben.
FDP-Politiker Kosmehl warnt vor "Kostenexplosion"
Das Finanzministerium geht bislang von einer Summe von mindestens 400 Millionen Euro für einen Neubau aus. Derzeit würden die Kosten der beiden möglichen Standorte ermittelt. Die Mehrkosten durch die Verzögerungen belaufen sich auf 20 Millionen Euro im Jahr, so der zuständige Referatsleiter im Finanzministerium.
Die Linken-Fraktionsvorsitzende Eva von Angern warf der Regierung vor, die Entscheidung unnötig hinauszuzögern. Auch die rechtspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Rüdiger Erben, und der FDP-Fraktion, Guido Kosmehl, kritisierten den fehlenden Zeitplan. Kosmehl warnte vor einer möglichen Kostenexplosion, da zeitgleich bestehende Justizvollzugsanstalten wie der "Rote Ochse" in Halle saniert werden müssen.

Der Neubau soll die JVA "Roter Ochse" (Archiv-Foto) in der Innenstadt von Halle und die Nebenstelle "Frohe Zukunft" im Norden der Stadt ersetzen.
Erben sagte, er sei skeptisch, ob die Entscheidung für den Neubau noch in dieser Legislaturperiode getroffen werde. In Sachsen-Anhalt wird im Herbst 2026 ein neuer Landtag gewählt. Der SPD-Politiker forderte zudem Antworten zu einer notwendigen Verlegung der Starkstromtrasse der Deutschen Bahn in Weißenfels. Er hält die vom Land geschätzten Kosten der Verlegung von zwei bis zweieinhalb Millionen Euro für unrealistisch. Allein die Verlegung würde etwa ein Jahr dauern, gab die Stadt Weißenfels im März an.
Weißenfels schafft weitere Voraussetzung für JVA-Neubau
Die Stadt Weißenfels hat unterdessen eine weitere Voraussetzung für eine mögliche Ansiedlung der neuen Justizvollzugsanstalt geschaffen. Der Stadtrat beschloss am Donnerstagabend (19.06.) eine Änderung des Flächennutzungsplans für das vorgesehene 34,4 Hektar große Gebiet. Wie die Stadt mitteilte, gab es 20 Stimmen dafür und sechs dagegen. Nach einer Auslage des neuen Bebauungsplans Ende dieses Jahres wäre das Baurecht dann 2026 gegeben, hieß es weiter.
"Wir haben einfach den Vorteil, dass wir schneller bauen können."
Die Stadt sieht sich nach eigenen Angaben im zeitlichen Vorteil gegenüber dem anderen möglichen Standort in Halle-Tornau. Der Oberbürgermeister von Weißenfels, Martin Papke (CDU), sagte laut Mitteilung vom 19. Juni: "Für uns hat das Vorhaben höchste Priorität und wir machen unsere Hausaufgaben, um zeitnah handfeste, rechtssichere planungsrechtliche Voraussetzungen für eine schnelle Entwicklung zu schaffen." Weißenfels biete dem Land ein voll erschlossenes Grundstück an. Bereits im Mai sagte Papke im Streit um den Standort für die neue JVA MDR SACHSEN-ANHALT: "Wir haben einfach den Vorteil, dass wir schneller bauen können." Damit könnten Kosten für das Land eingespart werden.
Nach den Worten von Papke steht für den Bau der geplanten Haftanstalt eine Fläche nahe der Autobahn 9 bereit. Neben Weißenfels wollen auch die Verantwortlichen in Halle (Saale), dass das neue Gefängnis in ihrer Stadt errichtet wird. Seit Monaten gibt es deshalb Streit zwischen den beiden Städten.
CDU-Politiker kündigen Widerstand gegen Standort Weißenfels an
Anfang Mai hatten vier hallesche CDU-Landtagsabgeordnete an die Landesregierung appelliert, am bisherigen JVA-Standort in Halle festzuhalten. Sollte sich das Land stattdessen für Weißenfels entscheiden, kündigten sie Widerstand an. Unter den Abgeordneten sind der frühere Bildungsminister Marco Tullner und der Präsident der Handwerkskammer Halle, Thomas Keindorf.
In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie, es brauche "endlich Klarheit und Verlässlichkeit". Das Gezänk zwischen zwei Landesministerien müsse ein Ende haben. "Die neue JVA gehört nach Halle, zumal bereits viele Millionen in die Planungen investiert wurden", so die Mitteilung.
Das Justizministerium Sachsen-Anhalts will das Gefängnis in Halle-Tornau bauen lassen. Anfang März war allerdings überraschend bekannt geworden, dass das Finanzministerium als Alternative den Standort Weißenfels im Blick hat. Mitte April (23.04) erklärte Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) im Rechtsausschuss des Landtags, ihr Haus arbeite "mit Hochdruck" daran, die beiden möglichen Standorte zu bewerten. Im Mai könne die Landesregierung dann entscheiden. Passiert ist das allerdings nicht.
Entscheidung zu neuer JVA: Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend
Finanzstaatssekretär Rüdiger Malter erklärte bei der Sitzung des Rechtsausschusses am 23. April, man werde sich nach der Bewertung des Justizministeriums richten. Sollte dies zu dem Schluss gelangen, dass Weißenfels als Gefängnis-Standort nicht geeignet sei, werde man versuchen, in Halle-Tornau zu bauen. Bei Eignung beider Standorte werde nach ökonomischen Gesichtspunkten entschieden.

Staatssekretär Rüdiger Malter sprach im Rechtsausschuss für das Finanzministerium. (Archivbild)
In Weißenfels steht bereits ein erschlossenes, baureifes Grundstück zur Verfügung. Es ist Eigentum des Landes, wodurch kein Ankauf mehr notwendig ist – im Gegensatz zu Halle. Dort müssten erst Grundstücks-Fragen geklärt werden. In Weißenfels ist auch kein langwieriges Planfeststellungsverfahren nötig, der Bebauungsplan besteht entweder schon oder kann leichter angepasst werden. In Halle müssten umfangreiche planungsrechtliche Schritte eingeleitet werden, was Zeit kostet.
Haseloff betont Vorteile des Standorts Halle
Bei einem Besuch am 8. Mai in Halle hatte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) angekündigt, dass es in den nächsten zwei Monaten einen Beschluss im Kabinett geben soll. Das berichtet das Portal "Du bist Halle". Haseloff betonte dabei die infrastrukturelle Eignung für den Standort Halle-Tornau sowie das Vorhandensein des uneingeschränkten Baurechts.
Halles Oberbürgermeister Alexander Vogt verwies auf eine Zweidrittelmehrheit im Stadtrat von Halle und sagte: "Ich denke, wir haben hier die besten Voraussetzungen." Ihm gehe es auch um wichtige Arbeitsplätze, die in der Saale-Stadt bleiben sollten. Die Entscheidung zugunsten Halles sei auch wegen der Sinnhaftigkeit zu erwarten. Haseloff ergänzte, es gebe zudem Rechts-Verpflichtungen, die umgesetzt werden müssten.
Neue JVA: Allein die Planungen haben Millionen verschlungen
Die Planungen für das Projekt haben bereits jetzt mehr als acht Millionen Euro gekostet. Das gab das Finanzministerium auf Anfrage der Landtagsabgeordneten von Angern (Die Linke) bekannt. Zunächst sollte der Gefängnisneubau im Stadtteil Frohe Zukunft in Halle entstehen. Das Projekt war 2021 jedoch wegen stark gestiegener Kosten auf Eis gelegt worden. Schließlich nahm das Land den Standort Halle-Tornau in den Blick. Dort sind nach dpa-Informationen schon Millionensummen in Grundstücksankauf, Machbarkeitsstudie, Vermessung und archäologische Erkundungen geflossen. Allein für die 2021 verworfene Idee einer Erweiterung der JVA "Frohe Zukunft" in Halle wurden nach Angaben des Finanzministeriums mehr als fünf Millionen Euro ausgegeben.
Dass Sachsen-Anhalt ein neues Gefängnis braucht, steht lange fest. Nötig ist der Neubau unter anderem wegen der vorgeschriebenen Einzelzellen-Unterbringung. Wegen langanhaltender Unklarheiten über das Baurecht brachte das Finanzministerium den Alternativstandort in Weißenfels ein, wo man sich schnellere Entscheidungen erhoffte.

Linken-Fraktionschefin Eva von Angern hat die Landesregierung gefragt, wie viel das Hin und Her um den Gefängnis-Neubau bereits gekostet hat. (Archivbild)
Stadtrat Halle spricht sich für Gefängnis-Pläne aus
In der Saale-Stadt hatte der Stadtrat nach langer Debatte im März für die Pläne eines neuen Gefängnisses gestimmt. Damit kann ein Bebauungsplan für das Areal nördlich von Halle-Tornau aufgestellt werden. 33 Stadträte waren bei der Sitzung dafür, 19 dagegen, zudem gab es vier Enthaltungen.
René Rebenstorf, Halles Beigeordneter für Stadtentwicklung und Umwelt, sagte MDR SACHSEN-ANHALT seinerzeit, die Verwaltung könne nun die Planungen mit dem Land vorantreiben. So muss demnach geklärt werden, wie eine neue JVA aussehen könnte und was mit den Liegenschaften an den beiden Alt-Standorten "Frohe Zukunft" und "Roter Ochse" passieren soll.
Standort Weißenfels: Ortschaftsrat ist dagegen
Auch der Stadtrat von Weißenfels hat sich ebenfalls bereits für den JVA-Neubau ausgesprochen. Das Gefängnis soll nach den Plänen in Langendorf, einem Ortsteil von Weißenfels entstehen. Der Ortschaftsrat von Langendorf ist allerdings gegen das Vorhaben.
MDR (Engin Haupt, Karin Roxer, Cornelia Müller, Alisa Sonntag, Andrea Iffert, Norma Düsekow, Kalina Bunk, Marius Rudolph) | Erstmals veröffentlicht am 27.03.2025