
Debatte über Regenbogen-Verbot Heuchelei unterm Regenbogen
Die Empörung über das ungarische Gesetz und das Regenbogenfarbenverbot der UEFA hält an. Das ist oft scheinheilig - beispielsweise von den Koalitionsparteien.
Es heuchelt gewaltig unter dem Regenbogen. Sich Toleranz, Vielfalt und Selbstbestimmung auf die Fahnen zu schreiben, ist nämlich einfach - die entsprechende Politik zu machen, schon schwerer. Die Kritik an der homo- und transfeindlichen Politik der ungarischen Regierung ist richtig und wichtig, aber wer mit dem Finger auf Orban zeigt, muss sich auch an die eigene Nase fassen.
Bisher keine Reform des Transsexuellengesetzes
Stichwort Transsexuellengesetz: Vor 40 Jahren in Kraft getreten, steht darin bis heute, dass Transmenschen ihren Personenstand nur ändern dürfen, wenn sie dauerhaft fortpflanzungsunfähig sind. Jahrzehntelang hieß das faktisch unter anderem Zwangssterilisationen, wenn sie ihren Personenstand angleichen, also etwa nicht länger als Mann, sondern als Frau geführt werden wollten. Dieser Passus darf seit 2011, nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nicht mehr angewendet werden - gestrichen wurde er nicht. Entschädigungen für Betroffene? Fehlanzeige.
Die vom Gericht angemahnte Reform des Gesetzes steht bis heute aus. Über den Personenstand entscheiden weiter nicht die Betroffenen selbst, sondern Gerichte in oft entwürdigenden Verfahren - die zudem mit im Schnitt 2000 Euro pro Verfahren teuer sind, auch weil gleich zwei psychologische Gutachten vorgelegt werden müssen.
Initiative für Selbstbestimmungsgesetz scheitert an Koalition
Im Mai scheiterten Initiativen von FDP und Grünen für ein Selbstbestimmungsgesetz im Deutschen Bundestag an der Regierungskoalition aus Union und SPD. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken - derzeit ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die sozialen Medien mit Regenbögen zuzupflastern - begründete das damit, man habe in der Pandemie die Regierungsarbeit nicht gefährden wollen.
Das wirkt vorgeschoben, denn ob die Union über diese Frage die Koalition wirklich hätte platzen lassen, erscheint zumindest zweifelhaft. Sie hat schließlich 2017 auch die Einführung der Ehe für alle ausgehalten, auch wenn gut zwei Drittel der Fraktion im Bundestag dagegen gestimmt haben.
Union kuschelt mit Orban
Dass die Union, speziell die CSU, jahrelang heftig mit Orban gekuschelt hat? Geschenkt. Dass die deutsche Rüstungsindustrie derweil bestens an der Modernisierung der ungarischen Streitkräfte verdient, stört offenbar ebenfalls niemanden. Dabei lief 2018, als Viktor Orban seine Einkaufsliste schickte und die Klausur der CSU-Landesgruppe in Seeon besuchte, der Angriff seiner Regierung auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schon längst. Jetzt trifft es noch weitere Grund- und Menschenrechte.
Wichtiger als die Tatsache, welche Fahne man gerade demonstrativ schwenkt, ist doch, welche Politik man macht, dass es wirklich um die Rechte der Betroffenen geht. Aber vielleicht liegt ja doch irgendwann am Ende des Regenbogens auch das Ende der Heuchelei.