
Neue Bundesregierung ++ Merz will Verteidigungskooperation mit Paris ++
Deutschland und Frankreich wollen enger in der Verteidigungspolitik zusammenarbeiten. Das betonte Kanzler Merz bei seinem Treffen mit Frankreichs Präsidenten Macron in Paris. Der neue Bundesinnenminister Dobrindt will Grenzkontrollen verschärfen.
Die wichtigsten Entwicklungen im Liveblog:
- Merz und Macron planen engere Kooperation bei Verteidigung
- Macron empfängt Merz in Paris
- Kanzler Merz auf dem Weg nach Paris
- Miersch ist neuer SPD-Fraktionschef
- Frei offen für Zusammenarbeit mit Linkspartei
- SPD will Fraktionsvorsitz neu besetzen
- Bundesregierung will Posten streichen
- Digitalministerium erhält mehr Zuständigkeiten als geplant
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron will mit dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz neuen Schwung in die deutsch-französische Beziehung bringen. Es sei ein wichtiger Moment für Frankreich, nun eine neue Seite der Beziehung aufzuschlagen, sagte Macron beim ersten Empfang von Merz im Pariser Élysée-Palast.
"Wir wollen, dass Handeln systematisch gemeinsam entsteht." Er führte fort: "Wir wollen gemeinsam bei den Themen handeln, die aus unserer Sicht prioritär sind: Souveränität, Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit." Die wichtigste Verantwortung sei die Sicherheit in Europa.
Kanzler Friedrich Merz hat sich in Paris sehr besorgt über die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Atommächten Indien und Pakistan geäußert. "Der französische Präsident und ich sind uns einig, wir sehen die Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Atommächten in der vergangenen Nacht mit allergrößter Sorge", sagte Merz bei seinem Antrittsbesuch bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Blick auf die Kämpfe zwischen den beiden asiatischen Staaten.
Auch die neue Bundesregierung verurteile den "hinterhältigen Terroranschlag auf unschuldige Touristen" in Kaschmir. Aber es sei "erforderlich, einen kühlen Kopf zu bewahren. Besonnenheit und Vernunft sind gefragt", fügte der CDU-Chef hinzu.
Mit großer Begeisterung und dem Wunsch nach möglichst wenig öffentlichem Streit in der schwarz-roten Regierung hat Stefanie Hubig ihr Amt als Bundesjustizministerin angetreten. Zu den Vorhaben, die besonders rasch umgesetzt werden müssten, gehöre die Verlängerung der Mietpreisbremse um vier Jahre. Auch solle das Familienrecht weiter reformiert werden. Der Ruf nach Berlin sei für sie überraschend gekommen, so die SPD-Politikerin.
Beim Versuch, eine Waffenruhe für die Ukraine zu erreichen, setzt Bundeskanzler Friedrich Merz darauf, dass die USA weiterhin Teil dieser Bemühungen sein werden. Es sei wichtig, dass die USA an diesem Prozess "und auch an einer späteren Sicherheitsgarantie für die Ukraine" weiter beteiligt seien und "dass die Amerikaner an Bord bleiben". Er hoffe darauf, dass die USA in der NATO, aber auch gegenüber der Ukraine, "weiter ihre Verantwortung wahrnehmen".
Die neue Bundesfamilienministerin Karin Prien sieht ihr Ministerium als "maßgeblich zuständig", um den "den gesellschaftlichen Zusammenhalt" zu stärken. "Wir begreifen gesellschaftlichen Zusammenhalt als Grundlage für Demokratie und auch als Schutz vor Extremismus", betonte die CDU-Politikerin bei ihrer Amtsübernahme. Und sie formulierte "rote Linien": Antisemitismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und die Diskriminierung von Minderheiten. Solchen Tendenzen werde sie sich "konsequent entgegenstellen". Prien wandte sich zugleich gegen das "Zurückdrehen" gesellschaftlicher Entwicklungen, etwa in Fragen der Gleichberechtigung und bei der "Vielfalt moderner Familien und Lebensformen".
Miersch: "Das wird richtig gut"
Der frisch zum Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bundestag gewählte Matthias Miersch startet mit Optimismus auf seinem neuen Posten. "Das wird richtig gut", äußerte er sich überzeugt. Miersch kündigte an, die neue SPD-Fraktionsspitze wolle in der Koalition mit CDU und CSU "fairer Partner" sein. Sie wolle aber auch "die sozialdemokratische Handschrift sehr deutlich erkennbar werden lassen" und auf die Umsetzung der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag achten.
Miersch machte deutlich, dass er in einigen Fällen auch auf eine Zusammenarbeit mit Grünen und Linkspartei im Bundestag setze. Ohnehin gebraucht würden diese dort, wo eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten erforderlich sei, beispielsweise bei der geplanten Reform der Schuldenbremse. Er wolle alles daransetzen, hier eine Einigung zustandezubringen.
Merz will "bald" in die Ukraine reisen
Bundeskanzler Friedrich Merz plant, bald in die Ukraine zu reisen. Die Reise werde gerade abgestimmt und er wolle "gemeinsam aus der Europäischen Union heraus jeden möglichen Beitrag leisten, damit es dort über das kommende Wochenende hinaus einen dauerhaften Waffenstillstand gibt und dass es dann auch ein Friedensabkommen geben kann mit Russland", sagte Merz bei seinem Besuch in Paris.
Der CDU-Politiker betonte, es stehe derzeit vor allem eine Frage im Raum: Ob Russland zu einer 30-tägigen Waffenruhe bereit sei. Auch die Frage nach deutschen Sicherheitsgarantien für die Ukraine knüpfte Merz daran, dass zuvor eine langfristige Waffenruhe für die Ukraine vereinbart werden kann.
Klingbeil drängt auf schnellen Haushalt
Der neue Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil will den Bundeshaushalt für 2025 noch vor der Sommerpause ins Kabinett bringen. "Das ist mein Anspruch, dass wir im Kabinett vor der Sommerpause den Haushalt haben werden. Das habe ich auch mit Friedrich Merz verabredet, dass das das Ziel ist", sagte der SPD-Politiker bei der Amtsübergabe im Finanzministerium. "Wir wollen keine Zeit verlieren, wir legen jetzt sofort los."
Wegen des Bruchs der Ampel-Koalition wurde der Haushalt für dieses Jahr nicht wie üblich im vergangenen Dezember beschlossen. Stattdessen arbeiten die Ministerien seitdem mit einer vorläufigen Haushaltsführung.
Merz und Macron drängen auf Verteidigung
Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellten beim gemeinsamen Treffen in Paris das Thema Verteidigung in den Fokus. Beide mahnten, die EU-Staaten müssten mehr in die Verteidigung investieren. Deutschland und Frankreich wollen laut Macron einen gemeinsamen Sicherheitsrat einrichten, der sich mit möglichen Investitionen in den Verteidigungssektor befassen soll.
Die EU müsse geeinter und progressiver auftreten, betonte Merz. Vor allem vor dem Hintergrund des fortwährenden russischen Krieges gegen die Ukraine. Merz versicherte der Ukraine, sie könne sich auf die anhaltende Unterstützung aus Deutschland verlassen. Die Bundesrepublik sei zudem bereit, sich im Falle einer möglichen Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine an der Kontrolle zu beteiligen, dass diese auch eingehalten werde.
Insgesamt wollten Deutschland und Frankreich die gemeinsame Zusammenarbeit intensivieren, betonte Merz. Beispielsweise auch beim Thema Wirtschaftsreformen oder Reformen innerhalb der EU.
Ein Lego-Raumschiff zum Abschied
Die neue Bundesministerin für Forschung, Dorothee Bär, hat das Amt von Cem Özdemir übernommen. Künftig trägt das Ministerium den Namen "Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt". Dass Raumfahrt ins Forschungsministerium zurückkehre, sei wichtig und richtig, sagte Bär. "Wie wir im Koalitionsvertrag betonen, hat die Luft- und Raumfahrt eine strategische Rolle für unseren Wirtschaftsstandort. Daher werden wir massiv in Forschung und Entwicklung investieren", betonte die CSU-Politikerin.
Özdemir war nach dem Bruch der Ampelkoalition und dem Ausscheiden von FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger eingesprungen und hatte das Ministerium neben seinem Job als Agrarminister geführt. Özdemir zieht es nun zurück nach Baden-Württemberg, wo er sich bei der Landtagswahl im kommenden Jahr für das Amt des Ministerpräsidenten bewerben will. Zum Abschied überreichte ihm Bär noch ein Geschenk - ein Lego-Raumschiff.

Die Regionalbischöfin Petra Bahr aus Hannover wird Staatssekretärin in Berlin. Sie wechselt in das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Ministerin Karin Prien, wie die evangelische Landeskirche Hannover mittelte. Die 59 Jahre alte Theologin stand demnach seit 2017 an der Spitze des Sprengels Hannover und ist seit 2020 auch Mitglied des Deutschen Ethikrates. Vorherige Stationen von Bahr waren unter anderem die Politikabteilung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., die sie leitete, sowie der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, in dem sie als Kulturbeauftragte arbeitete. 2002 promovierte sie an der Universität Basel mit einer Arbeit über die «Kritik der Urteilskraft» von Immanuel Kant. Von 2000 bis 2006 lehrte sie Religionsphilosophie und Ethik an der Universität Frankfurt am Main.
Merz von Macron empfangen
Ankunft in Paris: Einen Tag nach seiner Wahl ist Bundeskanzler Merz in Frankreich eingetroffen. Der französische Staatschef Emmanuel Macron empfing Merz am Mittag im Hof des Elysée-Palastes in Paris mit einem langen Händedruck und herzlichem Schulterklopfen. Die Visite von Merz sei kein protokollarischer Antrittsbesuch, sondern bereits ein Arbeitstermin, hatte der Elysée zuvor erklärt. Beide Seiten wollten nach dem Regierungswechsel in Deutschland nun frischen Wind in die deutsch-französischen Beziehungen bringen. Später soll es eine Pressekonferenz geben. Merz reist dann weiter nach Warschau.
Bundeskanzler Friedrich Merz strebt einen "Neustart" in den Beziehungen zu Frankreich und Polen an. Auf seinem Flug zum Antrittsbesuch beim französischen Präsident Emmanuel Macron sagte der CDU-Politiker, es gehe ihm bei seiner Reise nach Paris und Warschau noch nicht um konkrete Beschlüsse. Aber er wolle ein Zeichen "nach innen und nach außen" setzen, dass er sich für eine gute Zusammenarbeit gerade mit diesen beiden Ländern einsetzen und "ein bisschen auch einen Neustart" einleiten wolle. Gerade aus Frankreich seien in den vergangenen Jahren Klagen gekommen, dass Deutschland sich zu wenig um die Beziehungen kümmere.
Wo war die Ex-Kanzlerin? Beobachter wunderten sich, dass Angela Merkel beim zweiten Durchgang der Kanzlerwahl von Friedrich Merz längst den Bundestag verlassen hatte. Die Erklärung gibt es heute: In ihrem Büro empfing Merkel am Nachmittag eine Journalistin des kirchlichen Kölner Portals domradio.de. Bei dem schon länger vereinbarten Termin ging es um eine Aufnahme für den Podcast "Das Konklave" zur Papstwahl.
Deutschland und die EU müssen nach den Worten der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche aktiv neue Handelsabkommen anstreben. Man müsse sich Exportchancen selbst erarbeiten, sagte die CDU-Politikerin vor Mitarbeitern ihres neuen Ministeriums. Als Beispiele nannte sie die zum Teil seit Jahrzehnten laufenden Verhandlungen mit Indien, Australien sowie südamerikanischen und asiatischen Staaten. Zum Handelskrieg der EU mit den USA sagte Reiche, die USA würden der wichtigste Handelspartner Deutschlands bleiben.
Die schwierige Kanzlerwahl sei keine "Staats- oder Verfassungskrise" gewesen, sagt der Politologe Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf bei tagesschau24. Die Verfahren hätten funktioniert. Überraschend sei höchstens gewesen, dass man offenbar so wenig vorbereitet gewesen war, dass eine solche Situation eintreten könne. "Es war sicherlich kein guter Start für diese Koalition. Politisch gesehen, war es ein Problemstart", sage Marschall. Die Merz-Regierung starte mit einem "Misstrauensvorschuss".
Russland rechnet nicht mit einer Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland unter dem neuen Bundeskanzler Merz. "Angesichts zahlreicher kriegslüsterner und russophober Äußerungen deutscher Politiker gibt es keinen Grund, eine Verbesserung der Beziehungen zwischen unseren Ländern zu erwarten", sagte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa.
Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt will die Grenzkontrollen verschärfen, das kündigte der CSU-Politiker bereits im Bericht aus Berlin am Sonntag an. Nach Informationen des Spiegel wird das Kontingent der Bundesbereitschaftspolizei an der Grenze offenbar verdoppelt, auf zwölf Hundertschaften, hinzu kämen in Kürze Mobile Kontroll- und Überwachungseinheiten. Außerdem sollen die Beamten in den Grenzinspektionen künftig Zwölf-Stunden-Schichten leisten. So würde die bisherige Truppe von 11.000 Beamten deutlich verstärkt, die Zahl der Kontrollstellen - bisher um die 50 - könnte entsprechend erhöht werden.
Ein halbes Jahr nach dem Ampel-Aus hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das wird auch im Ausland mit Interesse verfolgt. Die unerwartet dramatische Kanzlerwahl von Friedrich Merz ist deshalb ein großes Thema in zahlreichen Kommentaren. Eine Auswahl:
Merz auf dem Weg nach Paris
Bundeskanzler Merz ist auf dem Weg nach Paris, wo er gegen Mittag erwartet wird. Dort wird Merz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron unter anderem darüber sprechen, wie Europa nach dem radikalen außenpolitischen Kurswechsel der USA unter Präsident Donald Trump selbstständiger werden kann.
Bei der dramatischen Wahl ihres Mannes zum neuen Kanzler war sie im Bundestag dabei, doch allzu oft wird man Charlotte Merz in Berlin wohl nicht antreffen. Sie hatte schon vor der Wahl klargemacht, dass sie im Sauerland bleiben und ihrer Arbeit als Richterin für Familienangelegenheiten weiter nachgehen wolle. Hauptsächlich verhandle sie Scheidungen und Kindschaftssachen, sagte sie im vergangenen Jahr der Bild-Zeitung.

Charlotte Merz am Dienstag im Bundestag.
Miersch führt SPD-Fraktion
Der bisherige SPD-Generalsekretär Matthias Miersch führt künftig die SPD-Bundestagsfraktion. Der 56-Jährige wurde mit 83,2 Prozent zum neuen Vorsitzenden gewählt, wie die SPD mitteilte. Miersch löst auf dem Posten SPD-Chef Lars Klingbeil ab, der nun Vizekanzler und Bundesfinanzminister in der neuen schwarz-roten Regierungskoalition ist.
Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) hat sich offen für eine Abschaffung des Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU mit der Linkspartei gezeigt. "Wir werden gemeinsam darüber zu sprechen haben", sagte Frei in der Sendung "Frühstart" von RTL und ntv. Der Beschluss des CDU-Bundesparteitags könne zwar nicht mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt werden. "Aber mit Sicherheit sind wir in einer Situation, wo wir die eine oder andere Frage neu bewerten müssen."
Hintergrund der Debatte ist die Kanzlerwahl am Dienstag, bei der CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Durchgang gescheitert war. Um noch am selben Tag einen zweiten Wahlgang anzusetzen, war eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die Union hat deshalb Gespräche mit den Grünen und auch der Linken geführt.
Die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner hat die Union aufgefordert, ihre Partei stärker einzubinden, wenn es um politische Entscheidungen geht. "Ich erwarte von der Union, dass sie sich nicht nur meldet, wenn die Hütte brennt, sondern auch bei anderen politischen Entscheidungen, wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist", sagte Schwerdtner den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Demokratische Parteien sollten in der Lage sein, miteinander zu sprechen." Mit der Linkspartei gilt bei der CDU ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit ausschließt.
Merz in Paris und Warschau erwartet
Merz' erster voller Arbeitstag als Kanzler ist ein Reisetag. Mittags wird er in Paris von Emmanuel Macron empfangen. Nachmittags wartet Donald Tusk in Warschau auf den neuen Bundeskanzler. Die Erwartungen und Gesprächsthemen fassen die ARD-Korrespondenten Michael Strempel (Paris) und Kristin Joachim (Warschau) zusammen:
Wie sehr es auf die Fraktionschefs der schwarz-roten Koalition ankommt, hat die schwierige Kanzlerwahl gestern im Bundestag gezeigt. Sie müssen dafür sorgen, dass bei Abstimmungen im Parlament die Mehrheiten stehen. Gestern hat das weniger gut geklappt - weder Jens Spahn als Fraktionschef der Union noch Lars Klingbeil bei der SPD hatte offenbar mit Abweichlern bei der Kanzlerwahl gerechnet. Heute will die SPD Matthias Miersch zum neuen Chef der SPD-Fraktion wählen, weil Klingbeil als Minister und Vizekanzler ins Kabinett Merz wechselt und den Posten daher wieder abgibt. Miersch war lange Vize-Fraktionschef und zuletzt Generalsekretär der Partei.
Der bisherige SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese soll heute neuer Erster Parlamentarischer Geschäftsführer werden. Nach der holprigen Kanzlerwahl gestern im Bundestag rät er dazu, jetzt nach vorne zu schauen und nicht nach Schuldigen zu suchen. Im ARD-Morgenmagazin sprach er von einem "heilsamen Schock". Nun aber sei "gutes Regieren" gefragt.
"Mund abwischen, weitermachen" - so beschreibt ARD-Hauptstadtkorrespondentin Sabine Scholt das Motto von Union und SPD nach der Kanzlerwahl am gestrigen Dienstag. Im ersten Wahlgang war Friedrich Merz gescheitert, es fehlten Stimmen aus den Reihen der geschmiedeten schwarz-roten Koalition. "Doch tatsächlich bleiben da Dinge hängen", so Scholt. Misstrauen, Argwohn - die Koalition starte "mit erkennbaren Rissen", die es nun erst einmal zu reparieren gelte.
Das Scheitern von Friedrich Merz im ersten Wahlgang bei der Kanzlerwahl im Bundestag lässt Zweifel an der Stabilität der neuen Bundesregierung aufkommen, noch bevor diese mit ihrer Arbeit überhaupt richtig begonnen hat. Doch Abweichler habe es auch bei vergangenen Kanzlerwahlen gegeben, nur seien dort die Mehrheiten eben größer gewesen, so der Politologe Stefan Marschall im ARD-Morgenmagazin. Ab jetzt müssten die Abgeordneten bei Abstimmungen jedoch "Farbe bekennen", denn im Gegensatz zur Kanzlerwahl seien diese nicht mehr geheim.
SPD will neue Spitze im Parlament wählen
Am Tag nach der Wahl von Friedrich Merz zum neuen Bundeskanzler bestimmt die SPD im deutschen Parlament heute ihre neue Spitze. Bei einer Fraktionssitzung am Vormittag soll der bisherige SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zum neuen Vorsitzenden der Sozialdemokraten im Bundestag gewählt werden. Er löst SPD-Chef Lars Klingbeil ab, der nun das Amt des Bundesfinanzministers in der neuen schwarz-roten Regierungskoalition innehat.
Miersch hatte den Posten als Generalsekretär der Sozialdemokraten seit vergangenem Oktober kommissarisch inne. Er gilt als enger Vertrauter von Klingbeil und war über Jahre einer der Stellvertreter der SPD-Bundestagsfraktion.
Auch weitere Mitglieder der Fraktionsspitze werden neu gewählt: Der bisherige Fraktionsvize Dirk Wiese soll neuer Erster Parlamentarischer Geschäftsführer werden. Als weitere parlamentarische Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer wurden Derya Türk-Nachbaur, Marja-Liisa Völlers und Johannes Fechner nominiert, Fechner zudem als Justiziar. Zudem werden die Posten für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden neu vergeben.
In seiner ersten Sitzung hat das neue Bundeskabinett von Union und SPD offenbar beschlossen, die Zahl der Beauftragten, Bevollmächtigten und Koordinatoren der Regierung um 25 zu kürzen. Einen entsprechenden Beschluss fassten Kanzler Friedrich Merz und seine 17 Bundesministerinnen und Bundesminister am späten Dienstagabend im Kanzleramt, wie die Nachrichtenagentur dpa aus Regierungskreisen erfuhr.
Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat Friedrich Merz nach seiner Wahl zum Bundeskanzler gratuliert. Wie chinesische Staatsmedien am Mittwoch berichteten, sagte Xi, China und Deutschland sollten als zweit- und drittgrößte Volkswirtschaften der Welt und wichtige Länder mit globalem Einfluss ihre Zusammenarbeit vertiefen und gemeinsam die wirtschaftliche Globalisierung vorantreiben.
Die bisherige Umweltministerin Steffi Lemke hat die von der neuen Bundesregierung geplante Abschaffung des Meeresbeauftragten scharf kritisiert. "Es ist ein fatales Signal für den Meeresschutz, dass die künftige Bundesregierung die Position des Meeresbeauftragten im Bundesumweltministerium streichen möchte", sagte die Grünen-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa.
Zuvor hatte die frisch vereidigte neue Bundesregierung bei ihrer ersten Kabinettssitzung eine Beschlussvorlage angenommen, die die Abschaffung von gut zwei Dutzend Beauftragten-Stellen vorsieht, darunter neben dem Meeresbeauftragten auch die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik sowie den Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen.
Der britische Premierminister Keir Starmer hat Bundeskanzler Friedrich Merz zu dessen Wahl gratuliert und seine Hoffnung auf eine gute Kooperation ausgedrückt. "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, um die nationale und wirtschaftliche Sicherheit für die Menschen in unseren beiden Ländern zu gewährleisten", schrieb Starmer am Abend im Onlinedienst X.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat kritisiert, dass zur Wahl von Friedrich Merz zum neuen Bundeskanzler ein zweiter Wahlgang erforderlich war. "Das war unnötig und überflüssig, das hätte man sich schenken können", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Der zweite Wahlgang sei aber dann "klar" gewesen. "Jetzt müssen wir anfangen zu arbeiten", forderte Pistorius.
Pistorius warnte davor, nun nach Schuldigen für den bisher einmaligen Vorgang in der bundesdeutschen Geschichte bei einer Kanzlerwahl zu suchen. "Über die Ursache zu spekulieren, hilft jetzt gar nicht", sagte er. "Ich würde gern den Blick nach vorne richten."
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich selbstkritisch und zugleich erleichtert geäußert, dass die Wahl von Parteichef Friedrich Merz zum Bundeskanzler doch noch wenige Stunden nach dem verlorenen ersten Wahlgang geglückt ist. Er hätte "nie und nimmer" mit dieser Situation gerechnet, sagte er im tagesthemen-Interview. Er müsse sich selbst die Frage stellen, ob er dies falsch eingeschätzt habe.
Vielleicht habe es "diese Schrecksekunde" nach dem ersten, gescheiterten Wahlgang gebraucht, damit sich diejenigen, die mit Nein gestimmt haben, der Tragweite ihres Handelns bewusst wurden. Im zweiten Wahlgang habe es dann eine Mehrheit gegeben, mit der man stabil regieren könne.
Carsten Linnemann, Generalsekretär CDU, zu zwei Wahlgängen und Vertrauensverlust bei der Kanzlerwahl
Das neue Digitalministerium wird noch umfangreichere Kompetenzen erhalten als ursprünglich geplant. Das geht aus dem sogenannten Organisationserlass der neuen schwarz-roten Regierung hervor, den das neue Bundeskabinett am späten Abend in seiner ersten Sitzung billigte. Danach erhält das Ministerium des CDU-Politikers Karsten Wildberger Abteilungen oder Zuständigkeiten aus insgesamt sechs Häusern - darunter dem Verkehrs- und dem Wirtschaftsministerium. Ziel ist es, die Digitalisierung in Deutschland massiv zu beschleunigen.