Maximilian Krah
liveblog

Nach der Bundestagswahl ++ AfD nimmt umstrittene Politiker in Fraktion auf ++

Stand: 25.02.2025 14:25 Uhr

Die unter anderem wegen verharmlosender Äußerungen über die Nazizeit umstrittenen Politiker Krah und Helferich sind Teil der neuen AfD-Fraktion. CDU-Chef Merz' Einladung an Israels Premierminister Netanjahu löst Kritik aus.

Die wichtigsten Entwicklungen:

Die Verhandlungen zwischen der Union und der SPD sollten nach dem Willen der CSU zeitnah beginnen. "Wir würden gerne auch zügig in den nächsten Tagen, wenn sich die SPD-Faktion dann morgen konstituiert hat, mit ersten Spitzengesprächen beginnen", sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nach der konstituierenden Sitzung der CSU im Bundestag. Diese erste Runde solle dafür sorgen, "dass wir dann mit Sondierungen starten können".

Dobrindt erklärte, die Union sei sich "auch einig darüber, dass wir eine Regierung gerne bis Ostern dieses Jahres dann installiert sehen". Diesen Zeitplan hatte auch CDU-Chef Friedrich Merz bereits betont. "Wir glauben, dass die Möglichkeit da ist, stellen uns zumindest auch so auf", sagte Dobrindt. Es sei nun an der SPD, die Bereitschaft zu den Verhandlungen zu erklären, sagte Dobrindt. "Wir wissen, dass das nicht sehr schnell aus der Hüfte geht, sondern dazu braucht es natürlich eine Reihe von Gesprächen."

Die Linke drängt die Union, ihren Unvereinbarkeitsbeschluss gegen eine Zusammenarbeit beider Seiten aufzuheben. Zudem müsse CDU-Chef Friedrich Merz sich für die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD entschuldigen, sagte Linken-Gruppenchef Sören Pellmann. "Dann können wir gerne ins Gespräch kommen." Die Linke hatte bei der Bundestagswahl 8,8 Prozent der Stimmen erhalten und wird künftig 64 Abgeordnete im Parlament stellen. Ihre Stimmen könnten für eine Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Grundgesetzes gebraucht werden, etwa zur Reform der Schuldenbremse. 

Co-Gruppenchefin Heidi Reichinnek sagte, die Linke könne in der Opposition jetzt das "Zünglein an der Waage" sein und eine zentrale Rolle spielen für ein soziales Land. "Und das werden wir nutzen, genau in dem Sinn, in dem wir das den Menschen versprochen haben", sagte Reichinnek. 

Die Linke sei zu Gesprächen mit den demokratischen Fraktionen im Bundestag bereit. "Wir werden eine Reform oder eine Streichung der Schuldenbremse dann mittragen, wenn sie Investitionen in die Zukunft unseres Landes ermöglicht", sagte sie. "Dreckige Deals" für eine Aufrüstung lehne man ab. Gesprächssignale der Union gebe es bisher nicht.

Die CSU-Abgeordneten im Bundestag haben Alexander Dobrindt einstimmig erneut zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Nach CSU-Angaben wurde in der konstituierenden Sitzung der CSU-Landesgruppe Alexander Hoffmann ebenfalls einstimmig als Parlamentarischer Geschäftsführer bestätigt. Die CSU hatte bei der Bundestagswahl in Bayern in allen 47 Wahlkreisen das Direktmandat gewonnen. Wegen der neuen Regeln des Wahlrechts wird sie im neuen Bundestag aber nur mit 44 Abgeordneten vertreten sein.

Lars Klingbeil sollte nach Meinung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter nach dem Wahldebakel seiner Partei alleiniger SPD-Chef werden. "Lars Klingbeil ist tatsächlich für mich persönlich der Hoffnungsträger der SPD für die nächsten Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte", sagte Reiter der Nachrichtenagentur dpa in München. "Er hat alles, was uns abgegangen ist. Er ist sympathisch, er ist klar, er ist jemand, der sich gut ausdrücken kann."

Bisher steht Klingbeil mit Co-Chefin Saskia Esken an der Spitze der Partei. Zudem hat er sich nach der Wahl als Fraktionschef im Bundestag beworben. Klingbeil habe damit zwar "natürlich auch eine Teilverantwortung als Parteivorsitzender für das Wahlergebnis", sagte Reiter. Aber er wisse ziemlich sicher, dass Klingbeil vor der Wahl "nicht alles umsetzen konnte, was er sich vorgestellt hatte". Klingbeil brauche "jetzt eine klare Machtposition, damit er auch einen vernünftigen Verhandlungsstil und eine vernünftige Verhandlungsposition der CDU/CSU gegenüber hat", betonte Reiter. Das Thema Doppelspitze solle die Partei daher der Vergangenheit angehören lassen.

"Da kann noch viel aus Lars Klingbeil werden", Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler, zur Zukunft der SPD-Führung

Mittagsmagazin, 25.02.2025 13:00 Uhr

Der scheidende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hat betont, dass eine Regierungsbeteiligung seiner Partei nicht sicher sei. Die SPD sei wahrscheinlich die einzige demokratische Alternative für eine künftige Bundesregierung mit der Union, sagte er in Berlin. Sie müsse nun entscheiden, ob es darum gehe, nur das Schlimmste zu verhindern oder Politik auch gestalten zu können.

Mützenich warf CDU-Chef Friedrich Merz erneut schweren Wortbruch durch die Abstimmung mit der AfD bei einem Antrag zur Migrationspolitik im Bundestag vor. Mit Blick auf die Debatte über die Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen Bundeswehr und den Meinungswandel der Union nach der Wahl warf er Merz leichtfertiges taktisches Verhalten vor. Er habe der Union seit Jahren mit Blick auf die nötigen Ausgaben für Sicherheit und Investitionen eine Reform angeboten, die immer wieder abgelehnt worden sei.

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) , Moritz Schularick, hat sich dafür ausgesprochen, noch im alten Bundestag Geld für die Bundeswehr über ein Sondervermögen zu mobilisieren. "Es ist richtig und wichtig, jetzt schnell viel Geld für unsere Verteidigungsfähigkeit zu mobilisieren, um eine glaubhafte Abschreckung gegenüber Russland aufzubauen und uns vom Schutz und damit der Abhängigkeit der USA unabhängig zu machen", sagte Schularick. Es sei auch richtig, das kurzfristig über Schulden zu finanzieren. "Umschichtungen im Haushalt sind in größerem Umfang erst in der mittleren Frist realistisch", erklärte Schularick.

Die demokratischen Parteien sollten jetzt die Gunst der Stunde und ihre verbleibende Zweidrittelmehrheit im alten Bundestag nutzen, um geopolitisch handlungsfähig zu bleiben. "Der entschlossenste und weitsichtigste Schritt dafür wäre es, die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen."

Wie stehen die Chancen, dass die Reform der Schuldenbremse noch durch den scheidenden Bundestag entschieden wird? "Grundsätzlich hätte man dafür schon noch Zeit", sagt ARD-Korrespondent Alexander Budweg. Der neue Bundestag müsse bis zum 25. März zusammentreten, man habe also noch vier Wochen. Doch während sich SPD und Grüne offen dafür zeigten, sei sich die Union uneins.

Alexander Budweg, ARD Berlin, zur Reform der Schuldenbremse und der konstituierenden Sitzung der AfD-Fraktion

tagesschau, 25.02.2025 12:00 Uhr

Union und SPD haben nach der Bundestagswahl erste Gespräche mit Blick auf eine Regierungsbildung aufgenommen. Wahlsieger und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kam für etwa eineinhalb Stunden im Kanzleramt mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen. Der CDU-Chef traf gegen 10.30 Uhr an der Regierungszentrale ein und verließ sie gegen 12.00 Uhr wieder.

Bei dem Gespräch dürfte es um die Gestaltung der Übergangsphase zwischen der Bundestagswahl und der Bildung einer neuen Regierung gegangen sein. Der CDU-Vorsitzende hatte schon für den gestrigen Montag eine Unterredung mit SPD-Chef Lars Klingbeil angekündigt. Union und SPD stehen vor schwierigen Verhandlungen über eine mögliche gemeinsame Regierung.

Union und SPD planen Sondierungsgespräche, konstituierende AfD-Fraktionssitzung,

Dominic Hebestreit, ARD Berlin, tagesschau, 25.02.2025 12:00 Uhr

In der Diskussion um die personelle Neuausrichtung der FDP hat sich die Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für eine "Teamlösung" in ihrer Partei ausgesprochen. "Es wird nicht mehr den großen Vorsitzenden, die große Vorsitzende geben können", sagte Strack-Zimmermann im rbb. Die Partei werde "in dieser Woche entscheiden, welches Team die FDP in den nächsten Bundestag führt". Nach dem Wahldebakel am Sonntag hatten Parteichef Christian Lindner und Generalsekretär Marco Buschmann ihren Rückzug angekündigt.

Die FDP hatte bei der Bundestagswahl mit 4,3 Prozent das historisch schlechteste Wahlergebnis geholt und ist damit zum zweiten Mal nach 2013 aus dem Parlament geflogen. Nach Lindners Rückzugsankündigung zeigte sich Strack-Zimmermann offen für die künftige Übernahme des FDP-Vorsitzes, ebenso wie der bisherige Vizechef Wolfgang Kubicki. Strack-Zimmermann sagte dazu, es gehe "jetzt nicht um das Wettrennen, wer wird der große Zauberer. Das wird auch gar nicht funktionieren".

In der Debatte über ein neues kreditfinanziertes Sondervermögen für die Bundeswehr beharren die Grünen auf einer generellen Reform der Schuldenbremse. "Warum sollte ich denn akzeptieren, dass wir allein über Sicherheit sprechen, wenn die gesamte deutsche Wirtschaft verlangt, dass die Schuldenbremse auch für die Wirtschaft reformiert wird?", sagte Fraktionschefin Katharina Dröge mit Blick auf mögliche Gespräche mit Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz.

Für eine Reform der Schuldenbremse oder ein weiteres Sondervermögen benötige Merz im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit und damit auch die Grünen. "Wer mit uns verhandeln möchte, kann sehr gerne anrufen." Grundsätzlich sei es allerdings "schlauer, die Reform der Schuldenbremse nicht über Sondervermögen zu lösen". Es gehe nicht nur um das Thema Sicherheit und Verteidigung, sondern auch um Investitionen in Bildung, Klimaschutz, Infrastruktur und Wirtschaft.

Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann zeigte sich offen für Überlegungen, den Bundestag noch in alter Zusammensetzung in einer Sondersitzung eine Reform der Schuldenbremse beschließen zu lassen. Sie merkte jedoch an, dass eine Abstimmung durch den scheidenden Bundestag "keine unproblematische Entscheidung" sei. Die Wählerinnen und Wähler hätten den neuen Bundestag bereits gewählt und sie halte das demokratietheoretisch "nicht für locker und easy". Das werde dann Merz verantworten müssen.

Bei der konstituierenden Sitzung der neuen AfD-Fraktion wurden alle 152 am Sonntag gewählten Bundestagsabgeordneten in die Fraktion aufgenommen - darunter auch der Rechtsextremist Matthias Helferich und der frühere Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah. Beide sind für verharmlosende Äußerungen über den Nationalsozialismus bekannt und daher sehr umstritten.

In einem schriftlichen Statement warnte die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der AfD-Fraktion vor den Folgen der Aufnahme Helferichs in die Fraktion. Weidel und Chrupalla hätten "alle Informationen und Warnungen erhalten", zitiert Zeit Online den Text. Nach der Aufnahme hätten "Weidel und Chrupalla alle evtl. Folgen und Skandale zu verantworten". In der Landesgruppe hatte es am Montagabend heftige Diskussionen gegeben, ob Helferich in die Fraktion aufgenommen werden soll.

Helferich war bereits 2021 als AfD-Kandidat in den Bundestag gewählt worden, verzichtete aber nach umstrittenen Äußerungen mit NS-Bezug auf eine Mitgliedschaft in der Fraktion und saß seitdem als Fraktionsloser im Bundestag. Helferich hatte sich 2017 in einem Facebook-Chat als "das freundliche Gesicht des NS" bezeichnet.

Krah saß bislang für die AfD im Europaparlament, wurde dort aber nach einer Reihe von Skandalen und umstrittenen Äußerungen aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen. Unter anderem wurde Krah vorgeworfen, Gelder aus Russland angenommen zu haben, was er bestritt. Wenige Wochen vor der Europawahl hatte Krah mit verharmlosenden Äußerungen über die SS für zusätzliche Empörung gesorgt. 

Angesichts einer möglichen schwarz-roten Koalition sieht der Politikwissenschaftler Stefan Marschall die SPD und die Union vor einer großen Herausforderung. "Das wird sicherlich kein Spaziergang, wenn es jetzt in die Verhandlungen geht". Beide Parteien hätten sich in den vergangenen Jahren auseinandergelebt. Man werde nicht einfach an die alte schwarz-rote Koalition der Vergangenheit anknüpfen können. Man werde neu ansetzen und sich in einigen Politikfeldern annähern müssen. "Das wird funktionieren hier und dort. Es gibt sicherlich Bereiche, wo man ganz schnell auch Kompromisse und einen gemeinsamen Konsens finden kann. Aber es wird sicher auch Bereiche geben, in denen es sehr sehr harte Verhandlungen geben wird", so Marschall.

Politikwiss. Stefan Marschall zu möglicher Neuauflage der "Groko"

tagesschau24

Die Linke holt bei der Bundestagswahl 8,77 Prozent der Stimmen und zieht überraschend stark ins neue Parlament ein - nachdem vor einigen Wochen noch kaum jemand daran geglaubt hätte, dass es überhaupt für die 5-Prozent-Hürde reicht. Uwe Jahn aus dem ARD-Hauptstadtstudio beobachtet die Partei seit Jahren. Mit ihm analysiert 11KM die Hintergründe des Aufwärtstrends: Woher kommt der Erfolg und wie nachhaltig wird er sein?

Nach der Wahl haben sich Spitzen von Union und SPD erstmals getroffen. Inhalte wurden nicht bekannt, aber erste Forderungen: Der Ton müsse sich ändern, sagte SPD-Chef Klingbeil. Die Union pocht auf eine Wahlrechtsreform:

Alice Weidel und Tino Chrupalla sollen die stark angewachsene AfD-Fraktion im Bundestag weiterhin anführen. Die neu gewählten Abgeordneten bestätigten bei der konstituierenden Sitzung der AfD-Fraktion in Berlin das Führungsduo mit großer Mehrheit im Amt. Weidel und Chrupalla bekamen 135 von 144 abgegebenen Stimmen. Es gab 7 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. Die neue AfD-Fraktion hatte sich zuvor konstituiert. Die AfD hatte ihr Ergebnis bei der Bundestagswahl von 10,4 auf 20,8 Prozent verdoppelt und stellt jetzt 152 Abgeordnete, nach zuletzt 77 in der zu Ende gehenden Legislaturperiode.

Die Linke, die Grünen und die AfD - diese drei Parteien werden im neuen Bundestag auf der Oppositionsbank sitzen. Schon jetzt bereiten sie sich darauf vor, die Politik der künftigen Regierung beeinflussen zu können. Welche Pläne sie haben:

Die Rolle der Opposition

Kerstin Dausend, ARD Berlin, Morgenmagazin, 25.02.2025 08:00 Uhr

Die neue AfD-Fraktion im Bundestag besteht darauf, künftig Vorsitze von Bundestagsausschüssen zu besetzen und erhebt Anspruch auf einen Vizepräsidentenposten im Bundestag. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernd Baumann, verwies im Deutschlandfunk darauf, dass die Fraktion jetzt doppelt so stark sei und entsprechende Ansprüche habe. "Wir haben ja jetzt fast ein Viertel aller Abgeordneten und die noch mal vonseiten irgendwelcher rot-grünen Mainstream-Mehrheiten bis tief in die CDU hinein noch mal irgendwie auszuschließen, das dürfte schwerfallen", sagte Baumann.

Seit ihrem Einzug in den Bundestag im Jahr 2017 war die AfD als einzige Fraktion noch nie im Parlamentspräsidium vertreten. Sämtliche Kandidaten für einen Vizepräsidenten verfehlten bisher die erforderliche Mehrheit. In der zu Ende gehenden Legislaturperiode blieben der AfD auch Vorsitzposten von Bundestagsausschüssen verwehrt, da ihre Kandidaten in den Ausschüssen durchfielen. Eine Klage der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen war ohne Erfolg geblieben.

Die Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz, dass der mit einem internationalen Haftbefehl belegte israelische Premierminister Benjamin Netanjahu Deutschland ohne Konsequenzen besuchen könnte, hat Kritik ausgelöst. Der Den Haager Gerichtshof betonte, es sei nicht Sache von Mitgliedstaaten, die Entscheidungen des Gerichts einseitig zu beurteilen. "Die Unabhängigkeit des IStGH ist dabei von zentraler Bedeutung, und wir respektieren seine Verfahrensabläufe sowie die Entscheidungen seiner Organe. Dies gilt ausnahmslos", sagte SPD-Außenpolitiker Nils Schmid der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings fügte er hinzu, dass "das Gebot kluger Diplomatie" erfordere, dass die Bundesregierung "geeignete Mittel und Wege finden wird, auch in Zukunft enge Beziehungen zur israelischen Regierung zu pflegen, ohne die Autorität des IStGH zu untergraben".

Netanjahu hatte Merz am Sonntag zu dessen Wahlsieg gratuliert. Am Montag verkündete sein Büro, dass Merz dabei eine Einladung ausgesprochen habe - trotz der "skandalösen Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, den Ministerpräsidenten als Kriegsverbrecher zu bezeichnen". Der IStGH hatte den rechtskonservativen Politiker dafür verantwortlich gemacht, den Krieg im Gazastreifen gegen die radikal-palästinensische Hamas-Bewegung mit ungerechtfertigter Härte geführt zu haben. Er weist dies zurück. Deutschland gehört zu den Unterzeichnern des Statuts des Gerichtshofs, müsste sich eigentlich an dessen Vorgaben halten und gilt als Verfechter der Autorität internationaler Organisationen und des Völkerrechts.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat vor einer überhasteten Reform der Schuldenbremse gewarnt. "Die neue Bundesregierung muss erst mal Prioritäten setzen und den Haushalt auf Einsparpotenziale durchforsten", sagte er der "Rheinischen Post". Dazu gehöre auch, vom Bund verursachte Kostentreiber bei Ländern und Kommunen zu identifizieren, die entbehrlich seien. "Dann kann man schauen, was im Rahmen der geltenden Schuldenbremse möglich ist und erst dann über ihre Reform nachdenken."

Wüst betonte: "Die Schuldenbremse sorgt für finanzpolitische Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit". Der wichtigste Beitrag zur besseren Finanzierung der staatlichen Aufgaben sei Wirtschaftswachstum. Die Schuldenbremse sei auch in der nordrhein-westfälischen Landeshaushaltsordnung festgeschrieben, so Wüst - "das sorgt für klare Verbindlichkeit".

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hat den Vorschlag begrüßt, noch mit dem alten Bundestag die Schuldenbremse zugunsten von höheren Verteidigungsausgaben zu öffnen. Mit der im neuen Bundestag bestehenden Sperrminorität von Linken und AfD drohe eine künftige Bundesregierung ansonsten erpressbar zu werden, sagte Hofreiter am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Deshalb sei eine Neuregelung noch im bisherigen Bundestag eine "gute Idee".

Hofreiter sagte, "die Schuldenbremse ist ein Riesenproblem". Sie schränke die Handlungsfähigkeit des Parlaments ein. Die Menschen in Deutschland hätten noch nicht verstanden, dass sich die Welt in einem "Epochenbruch" befinde. Vertreter von Grünen und SPD hatten nach der Bundestagswahl den Vorstoß gemacht, die Schuldenbremse zu reformieren. CDU-Chef Friedrich Merz hatte sich dafür offen gezeigt und angekündigt, vertrauliche Gespräche mit SPD, Grünen und FDP zu führen.

Die Union könnte mit diesen Parteien eine für Änderungen am Grundgesetz nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag erreichen. Im neuen Bundestag haben AfD und Linke so viele Stimmen, dass Union, SPD und Grüne zusammen nicht mehr eine Zweidrittelmehrheit erreichen können.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, hält die schnelle Einrichtung eines Sondervermögens für Ukraine-Hilfen für möglich. Er wolle nicht ausschließen, "dass angesichts der hochdynamischen außenpolitischen Veränderungen, der möglicherweise sich weiter steigenden Bedrohungslage unseres Landes, sehr schnell Entscheidungen ganz spezifisch im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik notwendig sind", sagte Frei im Deutschlandfunk.

Bereits CDU-Chef Friedrich Merz hielt die Einrichtung eines Sondervermögens für die Ukraine-Hilfen nach der Wahl für möglich. Zu einer Reform der Schuldenbremse noch mit der Mehrheit des alten Bundestages zeigte sich Frei allerdings erneut skeptisch. Eine Änderung des Grundgesetzes sei "keine kleine Sache". "Und wenn Sie von einer Reform der Schuldenbremse sprechen, ist es eine gewaltige Aufgabe, die im Zweifel ja nicht auf ein einziges Thema begrenzt wäre." 

CSU-Chef Markus Söder sieht Union und SPD in der Pflicht, gemeinsam eine neue Regierung zu bilden. Deutschland stehe vor einer historisch schwierigen Situation, ökonomisch wie außenpolitisch, sagte der bayerische Ministerpräsident im ARD-Morgenmagazin. Hinzu komme die Stärke der politischen Ränder. "Also müssen wir uns am Riemen reißen und müssen tatsächlich eine Regierung bilden, die die Migrationsfrage löst und auch die Wirtschaftsfrage löst", betonte Söder. 

Markus Söder, CSU-Vorsitzender, zu möglichen Koalitionen

Morgenmagazin, 25.02.2025 07:00 Uhr

Da im neuen Bundestag AfD und Linke eine Sperrminorität haben, um das Grundgesetz ändern zu können, wird derzeit debattiert, ob die Schuldenbremse noch mit der Mehrheit des alten Bundestages gelockert werden könnte. Söder sagte dazu, dies müsse man genau prüfen. Es gebe Argumente dafür und dagegen. "Ich bin da etwas zurückhaltend", sagte der CSU-Chef. Fakt sei aber, dass die Verteidigungsausgaben deutlich erhöht werden müssten. Das werde noch eine "knifflige Aufgabe", betonte Söder. Um so wichtiger sei, dass die SPD hier keine neuen Hürden aufbaue.

Was ist eine Sperrminorität?
Fraktionen, die im Bundestag rechnerisch mehr als ein Drittel der Sitze erhalten, haben eine sogenannte Sperrminorität. Mit dieser können sie Entscheidungen blockieren, bei denen eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln erforderlich ist. Zwei-Drittel-Mehrheiten sind unter anderem für Verfassungsänderungen nötig - etwa zur Reform der Schuldenbremse oder auch bei der Nominierungen von Verfassungsrichtern.

Zusammen mit der Linken kommt die AfD auf 216 der 630 Sitze und damit auf knapp mehr als ein Drittel. Damit verfügen sie über eine Sperrminorität. Union, SPD und Grüne dagegen kommen zusammen auf nicht genug Mandate, um mit nötiger Zwei-Drittel-Mehrheit Grundgesetzänderungen durchzusetzen.

Nach dem Scheitern der FDP bei der Bundestagswahl hat Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine breitere thematische Aufstellung angemahnt. Auf die Frage, ob sie sich eine Kandidatur für den Parteivorsitz vorstellen könnte, sagte die aus Düsseldorf stammende Politikerin auf WDR 5: "Die Frage stellt sich nicht." Die FDP sei ein Team und müsse jetzt zusammen über Ergebnis und Konsequenzen beraten, sich breiter aufstellen. Die Lage sei zu ernst, um die Dinge "einfach übers Knie zu brechen", betonte die Europa-Abgeordnete und Verteidigungsexpertin.

Die FDP hatte bei der Wahl mit 4,3 Prozent der Zweitstimmen die Rückkehr in den Bundestag verfehlt und muss nun - wie schon 2013 - in die außerparlamentarische Opposition gehen. Es sei "für den deutschen Liberalismus grauenvoll", dass die FDP aus dem Bundestag geflogen sei. Der Vorsitzende Christian Lindner hatte seinen Rückzug erklärt. Parteivize Wolfgang Kubicki zeigte sich daraufhin nicht abgeneigt, als sein Nachfolger zu kandidieren. Strack-Zimmermann sagte dazu, die FDP müsse ein Team bilden, in dem auch Bürgerrechte wieder eine verstärkte Rolle spielen müssten. 

Strack-Zimmermann ergänzte: "Ich persönlich habe in Europa extrem viel zu tun." Die FDP-Politikerin leitet im Europaparlament den Verteidigungs- und Sicherheitsausschuss. "Ich kann Ihnen sagen, angesichts der brutalen Angriffe auf die Ukraine, angesichts eines Donald Trump, einer amerikanischen Regierung, die uns droht, den Rücken zuzudrehen oder es schon tut, haben wir enorme Herausforderungen, die ich auch als Parlamentarierin in dem Parlament mit bewältigen muss."

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, will auch künftig in der Spitze ihrer Fraktion mitwirken. "Ich werde für den Fraktionsvorstand zur Verfügung stehen", sagte Haßelmann im Deutschlandfunk. Sie mache die Aufgabe gern und habe den Eindruck, dass Erfahrung gerade jetzt gebraucht werde.

Am Mittwoch kommen die neu gewählten Grünen-Abgeordneten erstmals zusammen.  Mit 11,6 Prozent hatten die Grünen bei der Bundestagswahl ihre Wahlziele weit verfehlt. Kanzlerkandidat Robert Habeck kündigte an, keine führende Rolle in der Partei anzustreben. Haßelmann bedauerte dies. Habeck habe einen guten Wahlkampf gemacht und sei mit dafür verantwortlich, dass die Grünen seit dem Bruch der Ampelkoalition rund 42.000 neue Mitglieder gewonnen hätten.

Die SPD-Linken im Bundestag unterstützen die Kandidatur von Parteichef Lars Klingbeil für den Fraktionsvorsitz. Dass das SPD-Präsidium Klingbeil vorschlage, finde er in der Sache "erstmal nicht falsch", sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD, Tim Klüssendorf, im ARD-Morgenmagazin. Zu kritisieren sei aber, dass dies schon am Sonntagabend erfolgt sei, bevor überhaupt alle Stimmen zur Bundestagswahl ausgezählt gewesen seien. 

Klüssendorf sprach von einer schwierigen Situation für die SPD, die bei der Wahl mit 16,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 erreicht hatte. Einerseits habe die SPD einen großen Aufarbeitungsprozess vor sich, bei dem kein Stein auf dem anderen bleiben dürfe. Andererseits sei sie stark gefordert, Verantwortung zu zeigen, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf eine mögliche Regierungsbildung mit der Union. In Richtung CDU-Chef Friedrich Merz sagte Klüssendorf, dieser habe tiefe Gräben in Rhetorik und Inhalt gerissen und müsse diese nun auch wieder schließen.

Tim Klüssendorf, SPD, Sprecher Parlamentarische Linke, zu Koalitionsspekulationen

Morgenmagazin, 25.02.2025 07:00 Uhr

Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer muss eine künftige Bundesregierung ein schnelles Zeichen setzen, um die Abwanderung von Unternehmen zu stoppen. "Wir haben viele tolle Mittelständler in Deutschland. Es braucht aber ein Signal, dass sich etwas ändert, um zu verhindern, dass immer mehr Unternehmen ins Ausland gehen und dort investieren", sagte Krämer.

"Das Vertrauen in die Politik ist angeknackst, ein Aufbruchssignal könnte wieder Glaubwürdigkeit herstellen." Am ehesten könne das vom Bürokratieabbau ausgehen, "etwa wenn eine neue Bundesregierung das deutsche Lieferkettengesetz abschafft oder Berichtspflichten in Sachen Nachhaltigkeit reduziert", schlägt Krämer vor. "Gerade das Lieferkettengesetz treibt viele Unternehmen emotional unheimlich um. Ein solcher Bürokratieabbau kostet kein Geld, bringt viel und wäre direkt umsetzbar."

Union und SPD könnten sich zudem schnell auf Investitionen in die Infrastruktur einigen, meint Krämer. "Hier sind die nötigen Beträge niedriger als in der Verteidigung und könnten aus Umschichtungen kommen, sofern die SPD Einsparungen beim Bürgergeld mitträgt." Ein mögliches Sondervermögen für Infrastruktur könne zudem von den Linken mitgetragen werden. Nachdem Migration im Wahlkampf das beherrschende Thema war, müsse nun die Wirtschaftspolitik stärker in den Fokus rücken, forderte Krämer. Allerdings seien die Differenzen zwischen den potenziellen Regierungspartnern Union und SPD in der Steuerpolitik, beim Bürgergeld und bei der Schuldenbremse groß. Das dämpfe die Hoffnungen auf einen grundlegenden Neustart in der Wirtschaftspolitik.