Händler an der New York Stock Exchange, mit Trump-Merchandiseprodukten am Arbeitsplatz.
analyse

100-Tage-Bilanz an der Börse Nur Nixon noch schlechter als Trump

Stand: 30.04.2025 08:43 Uhr

Von wegen "Trump-Boom": Seit Trumps Amtsantritt vor 100 Tagen rauschten die Kurse an der Wall Street in die Tiefe. Trump hat die schlechteste Börsenbilanz eines US-Präsidenten seit einem halben Jahrhundert.

Eine Analyse von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Ein "Boom wie nie zuvor": So lautete Donalds Trumps Versprechen im Wahlkampf, sollten die Amerikaner ihn erneut zum Präsidenten wählen. Tatsächlich war die Euphorie an den Märkten nach Trumps Wahlsieg am 6. November groß: Anleger setzten voll auf "America First", spekulierten auf Steuersenkungen und Deregulierung. Der marktbreite S&P 500 verzeichnete den höchsten Nachwahlgewinn aller Zeiten und kletterte auf ein Allzeithoch.

Auf Trump-Boom folgt Crash

Doch die Kursgewinne erwiesen sich als äußerst kurzlebig, aus dem "Trump Bump" wurde binnen kürzester Zeit ein "Trump Slump": Mit einem Schlusskurs von 5.561 Punkten am 29. April hat der S&P 500 alle zwischen dem Wahltag und dem Tag der Amtseinführung angelaufenen Kursgewinne komplett ausradiert.

Seit dem Amtsantritt Trumps am 20. Januar rauschte der S&P 500 um 7,3 Prozent in die Tiefe. Laut der Finanzanalyse-Firma CFRA Research ist dies die zweitschlechteste Performance während der ersten 100 Tage eines US-Präsidenten. Nur 1973 lief die Wall Street noch schlechter, als der S&P 500 zu Beginn der zweiten Amtszeit von Richard Nixon um 9,9 Prozent einbrach.

US-Präsidenten mit der schlechtesten 100-Tage-Bilanz an der Börse seit 1945
Jahr Präsident Prozentuale Veränderung
1973 Nixon -9,9
2025 Trump -7,3
2001 Bush Jr. -6,9
1953 Eisenhower -5,8
1949 Truman -4,9

Kurseinbruch nach dem "Tag der Befreiung"

Für den drastischen Stimmungsumschwung an den Börsen sind dabei keineswegs exogene Faktoren verantwortlich - sondern Trump persönlich. Als erste Amtshandlung peitschte der Republikaner nämlich just jene Wahlkampfversprechen durch, die selbst viele Experten nicht richtig ernst genommen hatten.

Seine aggressive Handelspolitik, die Anfang April in dem "Tag der Befreiung" und der Verkündung absurd hoher "reziproker" Zölle gipfelte, erwischte viele Anleger daher komplett auf dem falschen Fuß. Binnen nur zwei Tagen brach der S&P 500 um zehn Prozent ein.

US-Präsidenten mit der besten 100-Tage-Bilanz an der Börse seit 1945
Jahr Präsident Prozentuale Veränderung
1945 Roosevelt/Truman +10,4
1961 Kennedy +8,9
2021 Biden +8,5
2009 Obama +8,4
1989 Bush Sr. +8,0

"Sell America"-Szenario an den Börsen

Nicht nur US-Aktien, auch US-Staatsanleihen und der Dollar wurden massiv verkauft - Experten sprachen von einem "Sell America"-Szenario und einer "toxischen Kombination". Dahinter steckte die Furcht, Trump könne mit seiner Zollpolitik die Inflation massiv anheizen und die USA in eine Rezession stürzen.

Zwar zeigte sich Trump ob der heftigen Börsenreaktionen nicht immun und nahm im Anschluss einen Teil seiner Zoll-Ankündigungen wieder zurück, gewährte den Ländern eine 90-tägige Pause und signalisierte sogar gegenüber China Gesprächsbereitschaft. Das führte an den Börsen weltweit zu einer Erholungsrally.

Börsen noch nicht "über den Berg"?

Doch viele Marktexperten bleiben skeptisch, sie fürchten weitere Abwärtsbewegungen. "Wir haben die Turbulenzen noch nicht überstanden", warnt Eric Diton von Wealth Alliance. Spekulanten haben ihre Netto-Short-Position in S&P-500-Futures laut den am Freitag veröffentlichten CFTC-Daten auf den höchsten Stand seit Dezember ausgeweitet.

"Alle warten auf den Tiefpunkt", erklärte Jeffrey Hirsch, Herausgeber des "Stock Trader’s Almanac". "Angesichts der mangelnden Klarheit und der anhaltenden Unsicherheit in Washington bin ich nicht überzeugt, dass wir schon über den Berg sind."

Trump hat massiv Vertrauen verspielt

Auch ein Blick über den Tellerrand des Aktienmarkts hinaus mahnt zur Vorsicht: So liegt die Rendite für zehnjährige US-Papiere immer noch bei hohen 4,2 Prozent, der Dollar bleibt angeschlagen. Trump hat den Ruf der US-Devise als sicherer Hafen und Weltreservewährung massiv beschädigt. Mit seinen verbalen Attacken auf Fed-Chef Jerome Powell stellte der Präsident gar die Unabhängigkeit der US-Notenbank in Frage.

Das Vertrauen in die USA sei verloren gegangen, erklären Börsenexperten unisono. Trump hat damit die wohl wichtigste Währung an den Finanzmärkten verspielt - Marktbeobachter sprechen von einem irreparablen Schaden.

Hohe Unsicherheit schadet Unternehmen

Hinzu kommt: Ein Zoll-Abkommen der USA mit China oder der EU konnte bislang nicht erzielt werden. Die Unsicherheit an den Börsen bleibt damit hoch; alles hängt von der nächsten Volte des US-Präsidenten ab.

Die mangelnde Planungssicherheit für Unternehmen spiegelt sich bereits in der Berichtssaison zum ersten Quartal wider: Unternehmen kürzen ihre Gewinnziele oder ziehen ihre Prognosen gar ganz zurück.

Analysten kürzen Kursziele für S&P 500

Die logische Folge: Wall-Street-Analysten korrigieren ihre Kursziele für die US-Aktienindizes radikal nach unten. So rechnet etwa Oppenheimer - die Bank, die Ende 2024 noch mit 7.100 Punkten das optimistischste Kursziel für den S&P 500 ausrief und somit einen Anstieg um 20,7 Prozent vorhersagte - nur noch mit einem mageren Plus von 1,2 Prozent im laufenden Börsenjahr. Goldman Sachs und UBS gehen gar von einem Verlust-Jahr aus. Zum Vergleich: Im historischen Schnitt wächst der S&P 500 jährlich um zehn Prozent.

Sollte Trump jedoch den Ruf des Dollar als Weltreservewährung weiter beschädigen, so wären selbst die gesenkten Kursziele der Wall-Street-Experten nicht mehr zu halten. Es drohte eine globale Finanzkrise - mit verheerenden Folgen nicht nur für die US-Börsen, sondern auch für die Weltwirtschaft.