Ein Mitarbeiter in einer Maschinenwerkstatt einer Transferpumpstation der Moskauer Vereinigten Energiegesellschaft.
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Energiemarkt Welche Folgen hätte ein EU-Importverbot für russisches Gas?

Stand: 17.06.2025 16:17 Uhr

Die EU-Kommission will russische Gasimporte schrittweise bis 2027 stoppen. Was bedeutet das für Verbraucher, Unternehmen und den Energiemarkt in Deutschland und Europa?

Warum soll der Gasimport gestoppt werden?

Hintergrund ist der anhaltende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Als Reaktion darauf hat die Europäische Union bereits weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt, darunter Importverbote für Kohle und Öl.

Im Fall von Erdgas zögerte die EU jedoch bisher, da viele Mitgliedstaaten - insbesondere in Mittel- und Osteuropa - stark von russischen Gaslieferungen abhängig waren. Jetzt will die EU-Kommission auch hier einen vollständigen Ausstieg durchsetzen, um die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland weiter zu verringern und den Druck auf das Regime in Moskau zu erhöhen.

Wie abhängig ist die EU von russischem Gas?

2024 machten russische Gaslieferungen nach Angaben der EU-Kommission noch immer rund 19 Prozent der gesamten EU-Gasimporte aus. 2023 wurden Erdgas und Flüssigerdgas (LNG) im Wert von 15,6 Milliarden Euro aus Russland in die EU importiert. Zum Vergleich: Aus den USA kam Gas im Wert von 19,1 Milliarden Euro.

Und wie sieht es in Deutschland aus?

Die Gasexporte nach Deutschland wurden im Juli 2022 seitens Russlands vollständig eingestellt. Nach einer erneuten Inbetriebnahme der Nord-Stream-Pipeline wurden die Gasausfuhren ab Ende August 2022 erneut vollständig eingestellt. Dieser Zustand hält bis heute an.

Was genau plant die EU-Kommission?

Die Importe sollen dem Vorschlag zufolge schrittweise verboten werden, "um Markt- und Versorgungsstabilität zu gewährleisten". Für langfristige Lieferverträge soll das Verbot demnach ab dem 1. Januar 2028 greifen. Gasimporte im Rahmen von kurzfristigen Verträgen will die Kommission schon in einem Jahr verbieten, also ab dem 17. Juni 2026. Auf Basis von ab nun noch abgeschlossenen, neuen Verträgen soll ab dem 1. Januar kein russisches Gas mehr eingeführt werden dürfen.

Wie ist das weitere Prozedere?

Der Vorschlag muss nun von den EU-Ländern und dem EU-Parlament verhandelt werden, bevor die Regeln in Kraft treten können. Auf Ebene der Länder braucht es die Zustimmung von 15 von 27 EU-Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Sind auch Unternehmen in Deutschland betroffen?

Ein Verbot träfe auch das deutsche Unternehmen Sefe (Securing Energy for Europe), ehemals Gazprom Germania, das neben Uniper und VNG zu den größten deutschen Gaskonzernen gehört. Sefe ist seit der Verstaatlichung im Zuge der Energiekrise ein bundeseigenes Unternehmen und importiert auf Basis eines bestehenden, langfristigen Vertrags weiter Flüssigerdgas aus Russland in die EU.

Laut Daten des Rohstoffanalyseunternehmens Kpler führte Sefe im vergangenen Jahr mehr als sechsmal so viel LNG in die EU ein wie noch 2023: Im französischen Dünkirchen am Ärmelkanal kamen demnach im vergangenen Jahr 5,66 Milliarden Kubikmeter aus Russland importiertes Flüssigerdgas an.

Nach Unternehmensangaben bestehen derzeit keine rechtlichen Möglichkeiten, die Altverträge zu kündigen oder auszusetzen, ohne trotzdem zur Zahlung verpflichtet zu sein. Eine Nichtabnahme würde es dem Lieferanten zudem ermöglichen, diese Mengen erneut zu verkaufen - was die russische Wirtschaft unterstützen würde.

Hätte das Verbot Auswirkungen auf die Gaspreise?

Nach Einschätzung der EU-Kommission müssen Verbraucherinnen und Verbraucher keine drastischen Folgen befürchten. Die Behörde will dafür sorgen, dass die Maßnahmen für den Stopp russischer Energieeinfuhren so umgesetzt werden, dass es nur minimale Auswirkungen auf die Preise gibt und keine Versorgungsengpässe entstehen. EU-Energiekommissar Dan Jørgensen betonte, dass kein Mitgliedsstaat Probleme bei der Versorgungssicherheit erfahren solle. Und: "Wir wollen die Preise so niedrig wie möglich halten."

Expertinnen und Experten zufolge könnte ein EU-weites Verbot von russischen Gasimporten höchstens kurzfristig zu steigenden Preisen führen. Mittel- bis langfristig ist dagegen mit rückläufigen Gaspreisen in der EU zu rechnen: Aufgrund höherer Effizienz, sinkendem Gasverbrauch in der Industrie und dem Ausbau Erneuerbarer Energien dürfte nämlich die Gasnachfrage in der EU weiter zurückgehen. Zugleich dürfte der weltweite Ausbau von LNG-Kapazitäten das Angebot ab etwa 2026/2027 spürbar erhöhen, was die Preise zusätzlich dämpfen sollte.

Was bedeuten die Pläne der EU für den Energiemarkt?

Marktexpertinnen und Marktexperten rechnen damit, dass die Wirtschaft in der EU das geplante Importverbot gut verkraften kann - vor allem, weil ein Großteil der russischen Importe bereits ersetzt wurde. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die EU-Staaten massiv in die Energiesicherheit investiert. Dazu zählen insbesondere der Bau und die Erweiterung von LNG-Terminals, die Stärkung von Gasfernleitungen zwischen Mitgliedstaaten sowie die verbesserte Anbindung an internationale Lieferquellen wie Norwegen, die USA, Katar, Algerien und Aserbaidschan.

Die europäischen Gasspeicher hatten sich denn auch im Sommer 2024 schneller als in den Vorjahren gefüllt. Viele Länder - darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande - erreichten bereits im Spätsommer Füllstände von mehr als 90 Prozent. Dies hat die Preisschwankungen am Gasmarkt reduziert und die Abhängigkeit von kurzfristigen Spotmarkt-Einkäufen verringert.

Aktuell sind die deutschen Gasspeicher allerdings nur zu etwa 45 Prozent gefüllt, was deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 liegt. Dies liegt auch an dem im Vergleich zu den drei Vorjahren kalten Winter.

Könnte ein Importverbot die Energiewende beschleunigen?

Analysten sehen in dem Vorschlag der EU-Kommission, neue Verträge mit Russland zu verbieten und bestehende Gaslieferungen bis 2027 auslaufen zu lassen, einen Wendepunkt. Dies könne Investitionen in Erneuerbare Energien und grüne Wasserstofftechnologien deutlich beschleunigen - insbesondere in energieintensiven Industrien wie der chemischen Industrie, der Metallverarbeitung und der Bauwirtschaft.

Auch im Gebäudesektor könnte der Wegfall günstiger Gasimporte den Trend zu Wärmepumpen, energetischer Sanierung und Nahwärmenetzen verstärken. Nahwärmenetze sind lokale Wärmenetze, die mehrere Gebäude über kurze Distanzen mit Wärme aus einer zentralen Heizanlage versorgen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass Nahwärmenetze für die Energiewende eine große Rolle spielen könnten, da sie eine effiziente und nachhaltige Wärmeversorgung ermöglichen.

Mit Informationen von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion