Menschen im Gazastreifen mit UNRWA-Hilfsgütern

Lage im Gazastreifen "Unglaublich wichtig, dass Waffenruhe weitergeht"

Stand: 03.03.2025 01:33 Uhr

Seit Beginn der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sind viele Hilfsgüter in den Gazastreifen gekommen. Nun stoppt Israel die Lieferungen. Gibt es noch eine Chance auf die zweite Phase der Waffenruhe?

Vorerst keine Hilfslieferungen mehr für Gaza - das hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beschlossen. Damit will er die Hamas zwingen, die Waffenruhe um weitere fünfzig Tage zu verlängern und weitere der am 7. Oktober verschleppten Geiseln freizulassen. So sagte er es am Rande einer Kabinettssitzung:

Mit dem Ende der ersten Phase und angesichts der Weigerung der Hamas, dem Witkoff-Plan zuzustimmen, haben wir in unserer gestrigen Sitzung entschieden, dass ab heute früh jede Einfuhr von Gütern und Lieferungen in den Gazastreifen aufgehalten wird. Sollte die Hamas weiter an ihrem Standpunkt festhalten und unsere Geiseln nicht befreien, wird das weitere Konsequenzen mit sich ziehen, die ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen möchte.

Feuerpause wird als Erfolg gewertet

Dabei waren die letzten sechs Wochen der Feuerpause durchaus ein kleiner Erfolg: 30 aus Israel verschleppte Geiseln sind freigekommen. Außerdem wurden acht tote Geiseln übergeben. Und: In Gaza konnten die Menschen ohne die täglichen Angriffe leben, rund 600.000 sind zurückgekehrt in den Norden des flächendeckend zerstörten Gebietes. Etwa 600 Lkw-Ladungen an Hilfsgütern kamen durchschnittlich jeden Tag über die Grenze.

Vor allem die Verfügbarkeit und Verteilung von Nahrungsmitteln hat sich in Gaza verbessert, sagt Chris Whitman, der Büroleiter der Hilfsorganisation Medico International in Ramallah: "Die drei großen Herausforderungen sind Wasser, Unterkunft und Hygiene", berichtet er. "Es kamen genügend Nahrungsmittel hinein, seit die Waffenruhe begonnen hat. Wenn sich das jetzt ändert, dann hätten wir quasi sofort eine Situation, in der wir wieder über massenhaften Hunger von zwei Millionen Menschen sprechen müssen."

Bei anderen Hilfsgütern, so sagt Whitman, habe sich Israel nicht an die Vereinbarungen der Waffenruhe gehalten. So seien viel zu wenig Zelte oder gar Wohncontainer in das Gebiet gekommen. Auch schweres Gerät fehlt zur Beseitigung der Trümmer, Material, um zum Beispiel Wasserleitungen zu reparieren oder den Müll zu beseitigen.

Autonomiebehörde ringt um Einfluss

Die Palästinensische Autonomiebehörde, die einen Teil des von Israel besetzten Westjordanlandes kontrolliert, versucht, sich in Stellung zu bringen, um auch in Gaza Regierungsverantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig ist ihr Einfluss aber sehr begrenzt, dass stellen sie in Ramallah gerade fest.

Sameh Hammad ist Ministerin der Autonomiebehörde für soziale Entwicklung, gerade leitet sie außerdem eine Art Einsatzzentrum in Ramallah: Auf Bildschirmen sind rund 30 Menschen zugeschaltet - einige auch aus Gaza, manche sitzen in Zelten. Nach sechs Wochen Feuerpause ist Ministerin Hammad unzufrieden: "Ich hatte gedacht, dass wir es schaffen, jedem Palästinenser in Gaza innerhalb eines Monats eine Unterkunft zu bieten, egal ob ein Zelt oder einen Wohncontainer, das haben wir nicht geschafft", konstatiert sie.

Wir wollten 700.000 Tonnen Trümmer beseitigen, wir haben nur 70.000 geschafft. Das liegt nicht am Willen und Einsatz unserer Leute, sondern an den Beschränkungen.

Und nach dem israelischen Kabinettsbeschluss kommt erst einmal nichts mehr nach Gaza - das dürfte die humanitäre Lage dort schnell weiter verschärfen, erwartet Chris Whitman von Medico International: "Ich denke, es ist unglaublich wichtig, dass die Waffenruhe weitergeht, es ist wichtig, dass es zur zweiten Phase kommt, die Israel offen verhindert. Es gab eine Waffenruhe, die es Gaza erlaubt hat, ein wenig durchzuatmen. Und ich denke, dass wir die Kraft und die Verantwortung haben, sicherzustellen, dass die Menschen dort weiteratmen. Es liegt an uns, unsere Regierung zu zwingen, Druck auf Israel auszuüben."

Hoffnung auf Druck von den USA

Die Terrororganisation Hamas lehnt es weiter ab, über eine Verlängerung zu sprechen, solange es in den Verhandlungen nicht um ein definitives Ende des Krieges in Gaza geht. Der Druck könnte nun mal wieder aus den USA kommen. Steve Witkoff, der Nahost-Beauftragter von US-Präsident Donald Trump, wird in dieser Woche in der Region erwartet.

Welche Wirkung dieser Druck hat und ob er das Potenzial birgt, das Leiden der Bevölkerung in Gaza zu beenden und die restlichen Geiseln freizubekommen, ist völlig offen. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. März 2025 um 06:00 Uhr.