
Neuer Außenminister in Israel Wadephuls erste schwierige Mission
Er ist diplomatischer im Ton als seine Vorgängerin, aber in der Sache setzt der Neue auf Kontinuität - mit der einen oder anderen Einschränkung: Außenminister Wadephul ist zu Gast in Israel.
Nach nicht mal einer Woche im Amt steht der deutsche Außenminister vor seiner bisher schwierigsten Reise: Von Samstagabend bis Sonntagabend weilt er in Israel. Nach einem Besuch in Yad Vashem wird Johann Wadephul Außenminister Gideon Sa’ar und Premierminister Benjamin Netanjahu treffen, um dann aber auch nach Ramallah zu fahren. Dort wird er mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Behörde, Mohammed Mustafa, sprechen und sich israelische Siedlungen zeigen lassen.
Der neue deutsche Außenminister will beide Seiten kennenlernen, ihnen zuhören, von ihnen lernen. Das sagt er bei seinem ersten Termin. In einem Hotel in Tel Aviv trifft er Angehörige von Geiseln. Wadephul will sich erst einmal ein eigenes Bild machen, unvoreingenommen und immer in enger Abstimmung mit Kanzler Friedrich Merz. Das, was die deutsche Außenpolitik künftig prägen soll, dass Kanzleramt und Auswärtiges Amt mit einer Stimme sprechen, das gilt auch bei seinem Besuch in Israel.
Wadephul steht für Kontinuität
Wann immer sich Wadephuls Vorgängerin Annalena Baerbock zu Israel geäußert hat, vor allem nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, finden sich Reaktionen auf die grüne Außenministerin von Wadephul in seiner Funktion als Außenpolitiker der Union. Oft hat er Baerbock kritisiert, vor allem nachdem Deutschland sich bei einer von Jordanien eingebrachten UN-Resolution zu Gaza enthalten hat, anstatt dagegen zu stimmen. "Wir haben Israel im Stich gelassen", sagte er damals, im November 2023.
Nur Monate später änderte sich der Ton. Immer wieder lobte er Baerbocks diplomatischen Einsatz und sieht sich jetzt viel stärker als vor zwei Jahren in der Kontinuität der bisherigen Israel-Politik. Wadephul will deutlich machen, dass Deutschland zu seinem Bekenntnis steht: Existenz und Sicherheit Israels seien auch für die neue Bundesregierung Staatsräson.
Deutschland setzt auf europäische Abstimmung
Und doch wird auch er Fragen haben, gerade angesichts der sich drastisch verschlechternden humanitären Lage in Gaza. Auch er wird wissen wollen, was genau sich hinter dem von der Regierung Netanjahu angekündigten veränderten militärischen Strategie verbirgt. Möglicherweise wird er im Ton verbindlicher sein - norddeutsch zurückhaltend, wie es seit vielen Jahren in der Politik seine Art ist -, aber offen ist, ob er wirklich ein bequemerer Gesprächspartner sein wird.
Denn Wadephul weiß auch, dass sich die Stimmung unter den Europäern verändert. Die Niederlande, die bisher immer unverrückbar an der Seite Israels standen, haben jüngst das europäisch-israelische Assoziationsabkommen, ein Handelsabkommen, in Frage gestellt. Die Kritik an der israelischen Militärführung wird immer deutlicher, die Frage nach Verletzung des Völkerrechts drängender. Deutschland übernimmt zunehmend eine Sonderrolle.
Dabei setzt Wadephul in außenpolitischen Fragen auf europäische Abstimmung, auf gemeinsames Vorgehen. Er weiß, Israels Vorgehen in Gaza wird beziehungsweise ist bereits eine Herausforderung für die Einheit der Europäer. Diesen diplomatischen Spagat zu bewältigen, zu vermitteln, wird er auch als eine Aufgabe der deutschen Außenpolitik sehen. Und da scheint er nicht so weit von Baerbock entfernt zu sein.
Internationales Recht als Richtschnur
Es kam überraschend, als Friedrich Merz - wie es schien, ohne Not - in einem Interview sagte, man werde für den Fall einer Einreise Netanjahus eine juristische Lösung finden. Als Vertragsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs müsste Deutschland Netanjahu eigentlich festnehmen, wenn er einreisen sollte. Tut es das nicht, würde die Regierung ihr Bekenntnis zum Völkerrecht infrage stellen und damit die Internationale Strafgerichtsbarkeit, die 125 Staaten unterzeichnet haben, schwächen.
Ob Außenminister Wadephul zu dieser Frage Stellung nehmen muss, ob Netanjahu ihn darauf ansprechen wird, ist nicht gesagt, aber es könnte den neuen Außenminister in eine schwierige Situation bringen. In einer Presseerklärung zu seiner Reise nach Israel bezieht Wadephul Stellung: Das Bekenntnis zur Sicherheit Israels als Staatsräson müsse man neu interpretieren, und zwar "immer im Lichte unserer Geschichte und der internationalen Rechtsordnung, der wir besonders verpflichtet sind".
Er betont also das internationale Recht als eine Art Richtschnur, die auch im Verhältnis zu Israel wichtig ist. Aber möglicherweise muss er sich zu dem Thema gar nicht weiter verhalten, da es erst einmal nur um einen Antrittsbesuch des neuen Kanzlers gehen könnte.
Hoffnung auf humanitäre Hilfe für Gaza
"Die humanitäre Situation im Gazastreifen ist mittlerweile unerträglich geworden": Wadephul lässt keinen Zweifel daran, dass er dieses Thema ansprechen will - in Verbindung mit der Forderung, die Geiseln freizulassen. Auch da ist er ganz nah bei der Argumentation seiner Vorgängerin. Gerade in Bezug auf die Situation in Gaza wartet auf den neuen Außenminister ein schwieriger Balanceakt.
Kritik müsse möglich sein, erklärt Wadephul. "In unseren beiden Demokratien gehören kritische Diskussionen über die Politik der eigenen Regierung und befreundeter Nationen dazu." Zugleich dürfe Kritik aber nie für Antisemitismus missbraucht werden. Zu erwarten ist ein vorsichtiges Austarieren. Die ausgegebene Devise: mehr zuhören als selbst reden. Allerdings wird Wadephul mit Sicherheit mit großen Erwartungen auf der palästinensischen Seite konfrontiert.
Zusammenarbeit im Rüstungsbereich
Beim Thema Rüstung will Wadephul neue Akzente setzen. Er wird sich am Montagmorgen ein Abwehrsystem des Typs "Arrow 3" ansehen. Die Bundeswehr hat Ende 2023 beschlossen, dieses Luftverteidgungssystem zu beschaffen. Gerade erst hat Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz die ersten Teile des Systems übernommen.
Wadephul hat ein besonderes Interesse an Verteidigungsfragen, schon seit vielen Jahren. Anders als bei der früheren Außenministerin ist bei ihm durchaus eine größere Offenheit für eine deutsch-israelische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik denkbar. Er hatte in der Opposition oft die Haltung grüner Politiker gegenüber Rüstungsexporten nach Israel kritisiert.
Im Bundestag wurde im Oktober 2024 heftig darüber debattiert, ob die grünen Minister verhindert haben, Waffen nach Israel zu schicken. Wadephul sagte damals, wenn es zutreffe, dass es Blockaden und Verzögerungen bei Waffenlieferungen für Israel gegeben habe, dann habe sich die Bundesregierung gegen die zentrale deutsche Zusage an Israel versündigt. Im Bereich Rüstungsexporte wird Israel zumindest bei den Unionspolitikern in der Regierung wohl auf offenere Ohren treffen.
Ein bewusst gewählter erster Termin in Israel
Die Gespräche in Israel und in den palästinensischen Gebieten sind eine größere Herausforderung für den Neuen als seine bisherigen Besuche in verschiedenen europäischen Ländern. Als Oppositionspolitiker konnte er Klartext sprechen, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen. Jetzt kann jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden, und zwar von Beteiligten und Unbeteiligten.
Bei seinem Gespräch mit den Angehörigen von Geiseln hat Wadephul die Erwartungen an seinen Besuch selbst gedämpft. Er wolle vor allem erst einmal zuhören, aber dass sein erster Termin ihnen gelte, sei kein Zufall, sondern bewusst gewählt.