
Sondierungen über Finanzfragen Woher soll das Geld kommen?
Durch die angespannte Weltlage steigt der Druck auf die Sondierungen zwischen Union und SPD. Im Fokus stehen die Verteidigungsausgaben. Was ist möglich? Und welche Rolle spielen dabei zwei Sondervermögen? Ein Überblick.
Deutschland steckt mitten in der Regierungsbildung - doch die Zeit drängt. CDU, CSU und SPD setzen ihre Sondierungsgespräche heute fort - nach einer ersten Runde am Freitag. Dabei dürfte es vor allem um Finanzfragen gehen.
Wofür sollen Ausgaben steigen?
Erhöhter Druck besteht bei den Verteidigungsausgaben und Ukraine-Hilfen. Hintergrund ist das Zerwürfnis zwischen den USA und der Ukraine: US-Präsident Donald Trump hatte dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj gedroht, das Land im Kampf gegen Russland im Stich zu lassen, sollte es nicht zu einer Einigung mit Russland kommen. Trump überzog Selenskyj mit schweren Vorwürfen.
Bei den aktuellen Sondierungen zwischen Union und SPD geht es deshalb auch um Schritte, kurzfristig frische Milliarden zu mobilisieren - für die Bundeswehr, aber auch für mehr Eigenständigkeit Europas und eine womöglich noch stärkere Unterstützung der Ukraine. Dass die Europäer sehr viel mehr Geld für ihre eigene Verteidigung und für die Ukraine ausgeben müssten, ist laut der Nachrichtenagentur Reuters mittlerweile die vorherrschende Meinung in der Union und SPD.
Welche Möglichkeiten gibt es, Geld zu beschaffen?
Das Parlament könnte eine Reform der Schuldenbremse beschließen, die eine höhere Kreditaufnahme ermöglicht. Dann könnte das Geld aus dem regulären Haushalt bereitgestellt werden. Es wäre auch möglich, Verteidigungsausgaben generell von der Schuldenbremse auszunehmen, wie Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) das zuletzt vorgeschlagen hat.
Alternativ könnte ein Sondervermögen eingerichtet oder das bestehende Sondervermögen für die Bundeswehr aufgestockt und ausgeweitet werden. Das ist ein Topf abseits des Bundeshaushalts, aus dem Maßnahmen mit einem ganz bestimmten Zweck finanziert werden. Schulden zur Bildung von Sondervermögen werden auf Staatsverschuldung und europäische Schuldenregeln angerechnet.
Die aktuelle Haushaltslage ist angespannt. In der ersten Sondierungsrunde von Union und SPD am Freitag hatte Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) der Runde bereits einen düsteren Vortrag gehalten. Das berichtete Reuters.
Was steht Reformen im Weg?
Für eine Reform der Schuldenbremse wäre eine Änderung des Grundgesetzes nötig - denn da ist die Schuldenregel in Artikel 115 verankert. Eine solche Reform ist politisch sehr umstritten - und sie braucht eine große Mehrheit im Bundestag. Genauer: Zwei Drittel der Abgeordneten müssten zustimmen.
Bei Sondervermögen gibt es zwei Möglichkeiten: Man könnte sich das Sondervermögen für die Bundeswehr zum Vorbild nehmen. Dieses wurde im Grundgesetz verankert, dort von der Schuldenbremse ausgenommen und mit einem Kreditrahmen von 100 Milliarden ausgestattet. Das könnte man um 100 oder 200 Milliarden aufstocken und auch den Zweck erweitern. Nötig wäre hier aber auch eine Zweidrittelmehrheit.
Ohne diese Verankerung im Grundgesetz müsste das Sondervermögen aus dem Bundeshaushalt gefüttert werden. Größere Kredite dafür wären nur möglich, wenn man eine Notlage erklärt, die die Schuldenbremse vorübergehend aussetzt. Das könnte man etwa mit dem Kurswechsel der US-Regierung begründen.
Das Problem: Das Geld müsste dann in dem Jahr ausgegeben werden, in dem es aufgenommen wurde. Soll das Sondervermögen über mehrere Jahre laufen, müsste man jedes Mal erneut eine Notlage erklären - und dafür eine gerichtsfeste Begründung finden.
Welche Variante wird nun diskutiert?
Union und SPD prüfen offenbar zwei milliardenschwere Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur. Das werde zwischen CDU, CSU und SPD besprochen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Verhandlungskreisen. Als eine Grundlage für die Beratungen dienen auch gemeinsame Vorschläge von vier Spitzenökonomen.
Diese schlagen den Parteien vor, das Sondervermögen Bundeswehr aufzustocken und daneben ein weiteres Sondervermögen Infrastruktur zu beschließen - mit dem alten Bundestag. Für die Bundeswehr sehen die Ökonomen eine Größenordnung von 400 Milliarden Euro vor, auch um ein Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu senden. Für die Infrastruktur regen sie an, dass Bund und Ländern 400 Milliarden bis 500 Milliarden Euro in den Preisen von 2025 bereitgestellt werden sollten.
Laut Medienberichten soll der Vorschlag von den Ökonomen Clemens Fuest (Präsident des Ifo-Instituts), Michael Hüther (Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft), Moritz Schularick (Präsident des Kieler IfW) und Jens Südekum (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) kommen. Die Runde kam auf Initiative des saarländischen Finanzministers Jakob von Weizsäcker zusammen.
Wie reagieren Union und SPD bislang?
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann dementierte am Sonntag, dass er die in dem Papier genannten Zahlen für die Bundeswehr und Infrastruktur überhaupt kenne. CDU-Chef Friedrich Merz brachte nun allerdings eine Sondersitzung des noch amtierenden Bundestages ins Spiel, bei der über ein neues Sondervermögen entschieden werden könnte.
Nach Angaben von Teilnehmern sagte Merz in einer Sitzung des CDU-Vorstands, diese Woche werde sich in den Gesprächen mit der SPD entscheiden, ob in der kommenden Woche eine solche Sondersitzung sein werde. Zuerst hatte die Bild-Zeitung über entsprechende Äußerungen von Merz berichtet. Einen konkreten Termin für eine Sondersitzung nannte er nach den Informationen von Teilnehmern nicht. Merz habe sich zudem nicht dazu geäußert, ob es sich um ein Sondervermögen für Verteidigung oder auch für Infrastruktur handeln könnte.
Die SPD will bei der Finanzierung schon bald Klarheit mit der Union. Es müsse in den nächsten Tagen geklärt werden, ob die finanzielle Basis stimme, sagte SPD-Co-Chef Lars Klingbeil. "Wir sind bereit die ganze Woche zu reden." Es gehe um massive Investitionen in Schulen, Schienen und die Sicherheit. "Es muss ein großes Paket sein", betonte er.
Wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte, lädt Bundeskanzler Olaf Scholz für diesen Mittwoch die Parteivorsitzenden von SPD und CDU sowie den CSU-Landesgruppenchef zu Gesprächen ins Kanzleramt. Bei dem Treffen soll es um das weitere Vorgehen bei der Unterstützung der Ukraine gehen, auch mit Blick auf den EU-Sondergipfel am Donnerstag.
Wie stehen die Chancen im Bundestag?
Im künftigen Bundestag, der sich bis spätestens 25. März konstituieren muss, haben AfD und Linkspartei eine Sperrminorität. Aus diesem Grund ist im Gespräch, die Entscheidung noch kurzfristig mit den Mehrheitsverhältnissen des bisherigen Parlaments zu fällen.
Union und SPD wollen dazu Gespräche mit den Grünen führen. "Wir haben uns nur kurz ausgetauscht, dass es Gespräche geben soll", sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Konkret vereinbart ist bislang nichts." Co-Parteichef Felix Banaszak zeigte sich grundsätzlich bereit, noch im alten Bundestag für eine Änderung der Schuldenregeln im Grundgesetz zu stimmen. Seine Partei wäre "dabei, eine umfassende Reform der Schuldenbremse umzusetzen - denn das ist das, was ansteht", sagte er in der ARD.
Die Linke bot Union, SPD und Grünen Gespräche zur Reform der Schuldenbremse an. Gleichzeitig wandte sich der Parlamentarische Geschäftsführer Christian Görke strikt gegen Erwägungen, neue Sondervermögen in dreistelliger Milliardenhöhe für Verteidigung und für Infrastruktur aufzulegen. "Richtig ist: Die neue Regierung braucht Geld für Investitionen in Schulen, Infrastruktur und die Wirtschaft", sagte Görke. Aber es dürfe keine "finanzpolitischen Tricksereien" geben.
Die FDP forderte "strikte Regeln" für ein mögliches neues Sondervermögen zur Finanzierung deutlich höherer Verteidigungsausgaben. So müsse schon der reguläre Kernhaushalt das Zwei-Prozent-Ziel der NATO sicherstellen, sagte FDP-Vize Bettina Stark-Watzinger nach einer Präsidiumssitzung der Partei.