
Berlin Brandenburg Kriegsverbrechen des NS-Regimes: Massaker von Sonnenburg jährt sich zum 80. Mal
1945 wurden bei einer geplanten Massenermordung über 800 Gefangene in Sonnenburg getötet. Nur wenige Täter wurden verurteilt. Ein Museum und ein Denkmal erinnern an die Geschichte des Ortes.
Das Massaker von Sonnenburg (Polen) hat sich an diesem Donnerstag zum 80. Mal gejährt. Am 30. Januar 1945 waren bei einem Massaker im Zuchthaus von Sonnenburg, dem heutigen Słońsk, 819 Gefangene kurz vor der Ankunft der Roten Armee von der SS ermordet worden.
Beteiligt waren damals 17 SS-Soldaten und Gestapo-Beamte, die die Menschen aus Luxemburg und Norwegen, Belgien, Tschechien und den Niederlanden innerhalb von etwa fünf Stunden erschossen.
"Wir sind in einer Situation, das muss man sich mal wirklich auch vorstellen, wo der Geschützdonner in Frankfurt zu hören ist, wo der in Sonnenburg zu hören ist, wo die Häftlinge in ihren Zellen sitzen und schon denken 'Na, gleich ist der Krieg zu Ende. Wir kommen jetzt frei.'", sagt der Historiker Konrad Tschäpe, der die Gedenkstätte für die Opfer politischer Gewalt in Frankfurt (Oder) leitet.
Er hat sich intensiv mit dem wohl schwersten Verbrechen auseinandergesetzt, das je von Menschen aus Frankfurt (Oder) begangen wurde. Das Vorgehen der SS-Leute sei nicht nur brutal, sondern auch besonders heimtückisch gewesen, so Tschäpe: "Und natürlich schafft man auch in dem Zuchthaus eine Kulisse, wo man Motoren anstellt. Dass man also diese Schießgeräusche nicht vernehmen kann, als dass die Gefangenen getäuscht werden, auch über das, was ihnen bevorsteht. Also ein planvolles Handeln, ein klassischer Mord."
Nur wenige Täter verurteilt
Die Opfer sind sogenannte "Nacht-und-Nebel-Gefangene", Menschen, die von den Nazis und den besetzten Ländern dem Widerstand zugeordnet wurden. In der Logik der NS-Justiz galten sie als besonders gefährlich. Die Anordnung für die Massenerschießung kam von Herbert Klemm, Staatssekretär im Reichsjustizministerium, NSDAP- und SA-Mitglied.
Man habe versucht zu ermitteln, wer denn verantwortlich war, so Tschäpe "Und hat dann eben auch von diesen SS-Leuten Menschen vor Gericht gestellt. Aber wie das eben häufig so ist, auch dann in skandalöser Weise und blamabel für eine Demokratie, einfach nicht verurteilt."
Zwei Hauptverantwortliche, die Gestapo-Leute Nickel und Richter, wurden 1970 in Schleswig-Holstein wegen Beihilfe zum Totschlag wegen Verjährung freigesprochen. Herbert Klemm wurde im Dezember 1947 in Nürnberg vom Militärgericht unter anderem auch wegen der Vorgänge im Zuchthaus Sonnenburg zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.
"Nazizeit nicht hinreichend erforscht"
In Słońsk erinnert ein Museum an das Massaker. Auf dem Gelände des nach dem zweiten Weltkrieg abgerissenen Zuchthauses befindet sich heute eine Gedenkstätte und das "Martyriumsmuseum Sonnenburg". Im Frankfurter Viadrina-Hauptgebäude, damals Gestapo-Zentrale, wo der Massenmord geplant wurde, erinnert daran nichts.
"Es gibt eine ganze Reihe von Verantwortlichkeiten, die in der Nazizeit eine wichtige Rolle gespielt haben. Eine Schwierigkeit, die ich sehe, ist dass die Geschichte der Stadt in der Nazizeit nicht hinreichend erforscht ist und die des Unihauptgebäudes und der Topografie der Gewalt erst recht nicht," sagte Tschäpe.
Das Zuchthaus in Słońsk wurde von 1933 bis 1934 als staatliches Konzentrationslager der Berliner Polizei genutzt. 1934 wurde es wieder in ein Zuchthaus umgewandelt und fortan Straftäter und politische Gefangene, später auch Deserteure und Zwangsarbeiter interniert, sowie ab 1941 Häftlinge aus Westeuropa, die nach dem "Nacht-und-Nebel-Erlass" in das Deutsche Reich deportiert wurden.
Sendung: Antenne Brandenburg, 30.01.2025, 16:30 Uhr