Archivbild: Ein Mitarbeiter der Firma ZF Getriebe GmbH arbeitet an der Produktionslinie im Werk am 25.07.2019.(Quelle:picture alliance/dpa/M.Skolimowska)

Berlin Brandenburg Regionale Wirtschaft: Autoindustrie zwischen Krise und Veränderungsdruck

Stand: 01.02.2025 13:38 Uhr

Die Wirtschaft lahmt. Unternehmer demonstrieren. Gleichzeitig kämpft die Autoindustrie mit Krise und Transformation. Auch in Berlin und Brandenburg ist die Lage ernst, aber durchaus hoffnungsvoll. Von Annika Krempel

Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr wohl noch kleiner ausfallen als angenommen. Erst am Mittwoch hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die aktuelle Wirtschaftsprognose für dieses Jahr vorgestellt. 0,3 Prozent erwarten die Experten nur noch, statt bisher 1,1 Prozent. Seit zwei Jahren schon steckt die Konjunktur in der Krise. Zwei Jahre ohne Wachstum - und nun könnte ein drittes folgen, in dem der Aufschwung auf sich warten lässt. Der Unternehmensverband Berlin Brandenburg (UVB) ist skeptisch, was die Aussichten für Deutschland angeht: "Nicht ausgeschlossen ist, dass auch 2025 mit einem Minus bei der Wirtschaftsleistung enden wird. In jedem Fall wird es sich aber um eine blutleere Erholung handeln mit einem Wachstum nur wenig über Null."
 
Am Mittwoch hat ein breites Unternehmensbündnis deshalb zum Wirtschaftswarntag aufgerufen, auch der UVB. Die Forderungen an die Politik sind unter anderem Bürokratieabbau, niedrigere Steuern und Abgaben sowie günstigere Energiepreise.

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Berlin und Brandenburg robust

Die wirtschaftliche Krise geht auch an Berlin und Brandenburg nicht spurlos vorbei, wenn auch die Konjunktur in den vergangenen Jahren in der Region etwas robuster gewesen ist als in der Bundesrepublik insgesamt. Statt zu schrumpfen ist die Wirtschaft hier sogar zuletzt gewachsen, zumindest schwach.
 
"In Berlin und Brandenburg ist die Situation etwas besser, weil der Industrieanteil an der gesamten Wertschöpfung geringer ausfällt. Die Dienstleistungswirtschaft, etwa der Tourismus, spielen hier eine starke Rolle", so der UVB. Allerdings haben auch diese Branchen längst noch nicht das Niveau erreicht, das sie einmal vor Ausbruch der Corona-Pandemie gehabt habe.
 
Für die Hauptstadtregion rechnet der Verband in diesem Jahr mit einem Wachstum zwischen lediglich 0,5 und 1 Prozent. Viele Unternehmen, etwa aus der Metall- und Elektroindustrie, haben angekündigt, Stellen zu streichen.

Gewerkschaften sprechen von Druck auf Arbeitgeber

Schon längst beobachten Gewerkschaften infolge der wirtschaftlichen Flaute den Abbau von Arbeitsplätzen - etwa die IG Metall im Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen. Auf ihrer Jahrespressekonferenz kündigte Bezirksleiter Dirk Schulze an: "Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz." 2025 solle das Jahr des industriellen Aufschwungs werden, so Schulze. Gleichzeitig kritisierte die Industriegewerkschaft die Arbeitgeber. Viele würden Druck auf die Belegschaft aufbauen und mit Kündigungen oder Standortverlegung drohen. Währenddessen seien sie selbst oftmals phantasielos, was die Zukunft ihrer Betriebe angehe.

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Vom Verbrenner zum E-Auto: Transformation in der regionalen Automobilindustrie

Für die Automobilbranche könnte sich das beispielsweise als fatal erweisen. Sie steckt mitten in der Transformation hin zur Elektromobilität. In den vergangenen Jahren hat sich die Automobilindustrie zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Hauptstadtregion entwickelt. Autohersteller und Zulieferer beschäftigen allein in Berlin und Brandenburg zusammengerechnet etwa 52.000 Mitarbeitende. Das zeigt eine Studie die "Retranetz" zusammen mit anderen kürzlich in Berlin vorgestellt hat. "Retranetz" ist ein Branchennetzwerk, das den Unternehmen bei der Transformation helfen soll.
 
Brandenburg hat durch die Ansiedlung des Tesla-Werks in Grünheide als Standort der Automobilindustrie enorm an Bedeutung gewonnen. Berlin besitzt zwar bei der Anzahl der Beschäftigten kein hohes Gewicht. Aber in der Hauptstadt entwickeln einige Unternehmen Software für die Fahrzeuge – das sind Schlüssel-Komponenten in modernen Autos.

Der Druck auf die Unternehmen ist hoch, nicht nur wegen der aktuellen Krise. Laut Studie werden sich rund 95 Prozent der Betriebe in ganz Ostdeutschland noch auf neue Technik und Prozesse umstellen müssen. Dabei sind sie in Sachen Transformation unterschiedlich weit. Tesla zum Beispiel stellt bereits ausschließlich Elektroautos her. Andere, wie der Automobilzulieferer ZF in Brandenburg an der Havel, müssen sich noch verändern, sagt Robert Drewnicki, der bei "Retranetz" das Gewerkschaftsteam leitet. "Die machen Doppelschaltgetriebe für Porsche und sind sehr abhängig von der Verbrenner-Technologie. Das Werk braucht eine Perspektive für die Zeit nach 2028."

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Gute Chancen für die Zukunft

Insgesamt sei die Automobilindustrie in der Hauptstadtregion aber sehr gut in der Lage, die Transformation zu schaffen, ist Sven Weickert, Geschäftsführer beim Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, überzeugt. "Wir sind mit den Automobilherstellern und den Zulieferern in der Region sehr gut aufgestellt. Die Zutaten für die Elektromobilität sind da."
 
Besonders im Bereich der Forschung und Entwicklung für die Fahrzeugindustrie sind die ostdeutschen Bundesländer stark. Hier fließt, pro Arbeitsplatz gerechnet, auch deutlich mehr öffentliche Förderung in diesen Bereich als in Westdeutschland. "Wenn es allerdings um die Skalierung von Forschungsergebnissen geht, dann kommt das meist in die Forschungsabteilung der Konzerne. Und die sitzen in der Regel in Westdeutschland", sagt Drewnicki vom Gewerkschaftsteam bei "Retranetz".
 
Sein Fazit: Aus unserer Region kämen zwar viele Impulse, umgesetzt wird es dann woanders. Und das sei ein riesiges Problem für die hiesige Industrie.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.01.2025, 18:33 Uhr