In einem Wahllokal steht eine Wahlkabine. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)

Brandenburg Berlin Vorwahlumfrage zur Bundestagswahl: Viel Unsicherheit und viel Rechnerei

Stand: 14.02.2025 10:10 Uhr

Seit drei Monaten steht fest, dass der Bundestag vorzeitig neu gewählt werden wird. Die nun veröffentlichte ARD-Vorwahlumfrage zeigt, dass kaum eine Partei die kurze Wahlkampfphase für sich nutzen konnte. Mit kleinen Ausnahmen. Von Stefan Ruwoldt

Wie wäre die Ausgangslage, wenn schon an diesem Sonntag gewählt würde? Laut der jüngsten Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der ARD [tagesschau.de], die am Donnerstag erschienen ist, wäre die Union mit 32 Prozent stärkste Kraft, die AfD würde mit 21 Prozent folgen, SPD und Grüne lägen mit je 14 Prozent gleichauf.
 
Die Linke würde mit 6 Prozent in den Bundestag einziehen. Die FDP würde mit 4 Prozent an der Mandatsschwelle scheitern, ebenso wie das BSW mit 4,5 Prozent. Viel Unsicherheit also vor allem bei den kleineren der genannten Parteien. Überraschende Änderungen gibt es im Vergleich zu den letzten Umfragen nicht.
 
Im Laufe des Wahlkampfs kam es jedoch durchaus zu einigen Verschiebungen.

Grafik: DeutschlandTrend: Sonntagsfrage zur Bundestagswahl (Quelle: infratest dimap)

Sonntagsfrage

Kurz vor der Bundestagswahl ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Zahlen die aktuelle politische Stimmung abbilden und keine Vorhersage des Wahlergebnisses sein können oder als solche zu verstehen sind. Auch die ARD-Vorwahlumfrage vor der Bundestagswahl kann immer nur eine Wahlabsicht messen.

Die Ausgangslage

Schnell und hektisch, dafür übersichtlich - das war der Wahlkampf. Als die Neuwahlentscheidung erstmals konkret wurde, also Anfang November mit dem Bruch der Ampel-Koalition, machten sich so einige Parteien Hoffnungen - und andere konkrete Sorgen.

Die SPD war im November klar im Minus, ihr wurde offenbar die Hauptschuld am Scheitern der Koalition gegeben. Sie ist die Kanzlerpartei. Und die Grünen wurden gemäß Umfragen in die Mithaftung genommen. Die FDP beanspruchte für sich, konsequent zu sein, also die Partei zu sein, die ausscherte aus der Ampel. Die Liberalen malten sich dicke Plus-Zeichen auf ihre Wählergunsterwartungen. Die Union konnte hinter ihre Prognose-Zahlen gar dicke rote Steil-nach-oben-Pfeile zeichnen. Die AfD witterte das Scheitern der etablierten Parteien und hoffte auf einen deutlichen Aufschwung.
 
Zur rechten Zeit genau richtig da zu sein, befand auch das BSW und hatte reichlich Erwartungen. Viele kleine und wenige bekannte, weniger in Regional- und Landesparlamenten vertretene Parteien dagegen verfassten dicke Minuslisten, denn sie hatten von allem zu wenig: zu wenig Geld, zu wenig Zeit, zu wenig Aufmerksamkeit, zu wenig Bekanntheit.

Wahl-O-Mat. Bundestagswahl 2025. (Quelle: Wahl-O-Mat)
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Die Entwicklung der Zahlen

Drei Monate später hat sich auf den ersten Blick am Wählergunstbarometer laut den Umfragen kaum etwas verändert. Die Änderungen bei Zuspruch und Ablehnung sind gering.

Genauer heißt das: Die Kanzlerpartei SPD konnte sich von ihrem Tief nicht erholen. Der Befreiungsschlag, den sich Bundeskanzler Olaf Scholz womöglich vom Bruch mit der FDP erhofft hatte, ist ausgeblieben. 16 Prozent sagte die Sonntagsfrage der SPD kurz vor dem Bruch der Koalition voraus, 14 Prozent waren es dann in den Tagen nach dem Bruch Ende November. Und exakt zwischen diesen beiden Werten taumelten dann die folgenden Vorwahlumfragen hin und her. Die Tendenz für die SPD lautet hier: Stillstand auf niedrigem Niveau. Jetzt sind es also nun 14 Prozent. Ein historischer Tiefstwert in der Bundesrepublik. Seit 1949 lagen die Sozialdemokraten immer über 20 Prozent.

Die Zusammenfassung für die Trendlinie der Union lautet ähnlich, also gleichbleibend, allerdings auf Wahlsieger-Niveau und mit leicht abnehmender Tendenz von 34 Prozent Anfang November auf derzeit 32 Prozent.

Ähnlich sieht es bei der FDP aus: kaum Veränderung. Da die Liberalen sich aber schon vor dem Koalitionsbruch gerade einmal um die Fünf-Prozent-Hürde herum bewegten und der von ihnen erhoffte Aufwärtstrend mit dem Koalitionsbruch ausgeblieben ist, muss die Partei um ihren Einzug in den Bundestag fürchten. Aktuell sind es lauf ARD-Vorwahlumfrage vier Prozent. Damit wären die Liberalen nicht im neuen Bundestag vertreten.

Bündnis 90/Die Grünen teilen mit SPD und FDP das Schicksal, für das Scheitern der Ampel vom Wähler bestraft zu werden, allerdings mit leichtem Aufwärtstrend. Elf Prozent lauteten Prognosen vor dem Bruch der Ampel. Anfang November waren es bereits wieder 14 Prozent und genau bei diesem Wert liegen sie nun auch im aktuellen ARD-Bundestrend.

Wahlplakate zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 sind in Ulmen ( Landkreis Cochem-Zell Rheinland-Pfalz ). SPD Olaf Scholz Mit Sicherheit mehr netto - CDU Friedrich Merz Für ein Land, auf das wir wieder stolz sein können. (Quelle: dpa/Goldmann)
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Deutliche Veränderungen dagegen gibt es bei den Vorhersage-Ergebnissen für die anderen drei aktuell bereits im Bundestag vertretenen Parteien. Die AfD kann sich über einen fast kontinuierlichen Aufwärtstrend seit der Neuwahl-Entscheidung freuen. 17 Prozent lautete der Umfragewert bei Infratest Dimap noch Ende Oktober, nun aber liegt die Partei bei 21 Prozent und hat damit sehr gute Aussichten, im neuen Bundestag hinter der Union zur zweitstärksten Kraft zu werden.

Klarer Verlierer der heißen Wahlkampfphase ist dagegen das Bündnis Sahra Wagenknecht. Die noch junge Partei konnte sich seit ihrer Gründung im vergangenen Jahr bis zur Neuwahlentscheidung über stetig steigende Umfrage-Zahlen freuen, auch angetrieben von den erfolgreichen Landtagswahlen im Osten im Herbst. Von zunächst fünf Prozent im Februar 2024 stieg der Zuspruch für die Partei kurz vor dem Bruch der Ampel auf acht Prozent. Seit November allerdings sinken die Werte. Zehn Tage vor der Wahl zählt die ARD-Vorwahlumfrage nur noch 4,5 Prozent für die Partei, die um den Einzug in den Bundestag auch mangels Direktkandidierenden zittern muss.

Bei der Linken dagegen verheißen die aktuellen Umfrage-Zahlen der Partei den Wiedereinzug ins Parlament. Danach sah es zunächst gar nicht aus: Maximal vier Prozent sagten die Infratest-dimap-Umfragen seit Herbst 2023 voraus. Seit Januar allerdings kann die Partei hoffen. Von vier Prozent kurz nach Weihnachten steigerte sich die Partei auf fünf Prozent mit dem klaren Trend: zunehmender Wählerzuspruch. Laut der letzten und aktuellsten ARD-Vorwahlumfrage kommen sie nun auf sechs Prozent.

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Änderung bei Direktmandaten: Nicht jeder Wahlkreissieger automatisch im Bundestag

Entscheidend wird für BSW, FDP und Linke erst mal die Fünf-Prozent-Hürde. Fraktionen, die in den Bundestag wollen, müssen mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten - oder sie müssen mindestens drei Direktmandate gewinnen. In diesem Fall kann die Partei gemäß der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einziehen. Das galt im alten Wahlrecht, und so gilt es auch für den neuen Bundestag.

Neu ist aber: Kandidaten, die einen Wahlkreis gewinnen, können das Bundestagsmandat nur dann antreten, wenn die Zahl der Direktmandate für ihre Partei auch durch das Zweistimmenergebnis gedeckt ist. Wurden in einem Bundesland mehr Wahlkreise durch die Partei direkt gewonnen, ziehen nur die Kandidaten mit den stärksten Ergebnissen ins Parlament ein. Überhang- und Ausgleichsmandate fallen im neuen Bundestag also weg.

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Die Koalitionsmöglichkeiten

Politisch wahrscheinlich und mit den aktuellen Zahlen möglich sind Koalitionen zwischen Union und SPD oder Union und Grünen. Eine Koalition mit der AfD hatte die Union mehrfach und deutlich ausgeschlossen.
 
Als Wunsch-Koalitionspartner für die Union wird in der ARD-Vorwahlumfrage am häufigsten die SPD (32 Prozent) genannt, gefolgt von AfD (17 Prozent) und Grünen (16 Prozent).
 
Mit den weiteren drei Parteien, also BSW, Linke und FDP, die entweder knapp oder gar nicht in den Bundestag einziehen, verändern sich auch die Möglichkeiten der Koalitionsbildung. Würden neben dem aktuell wahrscheinlichen Einzug der Linken es zusätzlich BSW und FDP in den Bundestag schaffen, wäre rechnerisch möglicherweise nur noch ein Dreierbündnis oder ein Zweierbündnis aus Union und AfD möglich; für eine Koalition aus Union und SPD beziehungsweise Union und Grünen könnte es dann eng werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 14.02.2025, 19:45 Uhr