Mascha Schilinski posiert mit ihrer Trophäe bei den Filmfestspielen in Cannes in einem schwarzen Anzug für Fotografierende (Quelle: picture alliance/Invision/AP/Scott A Garfitt)

Brandenburg Berlin Warum Filmförderung für Regisseurinnen wenig gerecht ist

Stand: 08.06.2025 18:01 Uhr

Mascha Schilinski hat als deutsche Regisseurin bei den Filmfestspielen in Cannes den großen Preis der Jury gewonnen - und eine Diskussion entfacht: Warum müssen Frauen mehr als Männer um Filmförderung kämpfen? Von Nathalie Daiber und Marie Kaiser

"Wir möchten den Preis allen jungen Filmschaffenden widmen, insbesondere Frauen. Eure Stimmen sind wichtig! Gebt sie nicht auf." Mit diesen emotionalen Worten sprach die Berliner Regisseurin Mascha Schilinski in ihrer Dankesrede in Cannes direkt die jungen Frauen in der Filmbranche an.

Schilinski ermutigte sie, an ihre künstlerische Vision zu glauben, auch wenn der Weg dorthin schwierig sei. In die Freude über den Großen Preis der Jury für "In die Sonne schauen" hat sich schnell auch Verärgerung gemischt. Denn dass es so eine große Seltenheit ist, dass eine deutsche Regisseurin einen internationalen Preis gewinnt, liegt auch an der Filmförderung in Deutschland, die Männer immer noch klar bevorzugt.

Die Regisseurin Mascha Schilinski (undatierte Aufnahme). (Quelle: dpa-Bildfunk/Zentral Studio/Fabian Gamper)
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Nur 28 Prozent der Film-Fördersummen gingen an Frauen

Der Blick auf die Zahlen ist ernüchternd. Laut Bundesverband Regie gingen im Jahr 2023 lediglich 28 Prozent der Fördersummen des Bundes an Frauen. Und wenn Filmemacherinnen gefördert werden, dann meist mit kleineren Summen.
 
Laura Machutta, Branch Managerin bei Constantin Film Berlin, sieht zwar Fortschritte in der Gleichberechtigung in den vergangenen zehn Jahren; sie stellt aber auch fest: "Wir haben das Jahr 2025 und sehen, dass immer noch die größeren Projekte von Männern produziert oder auch inszeniert werden." Machutta verweist auf eine aktuelle Studie der Produktionsallianz [produktionsallianz.de], die belegt, dass nur 4,5 Prozent der fiktionalen TV-Produktionen in der Prime Time eine mehrheitlich weibliche Geschäftsführung haben.

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Knappes Film-Budget für "In die Sonne schauen"

Auch Mascha Schilinski musste für "In die Sonne schauen" mit einem kleinen Budget auskommen. Die Produktionsfirma "studio zentral" von Mascha Schilinski sagte dem rbb, "dass es sehr moderat war und im üblichen Bereich eines Debütfilms lag, was aber für die besonderen Aufwände des Films (historisch, viele Zeitebenen, viele Kinderrollen) dennoch sehr knapp bemessen war".
 
Der aufwendige historische Film, der das Leben von vier Generationen von Frauen in einem Dorf schildert, wurde als kleines Fernsehspiel vom ZDF produziert und von der Mitteldeutschen Medienförderung, dem Bundeskulturministerium und dem Deutschen Filmförderfonds unterstützt. Das Medienboard Berlin-Brandenburg war bei der Förderung des Films der Berliner Regisseurin beispielsweise nicht mit dabei.

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Regisseurinnen bekommen von Anfang an weniger Geld

"Bei uns ist es bisher noch nicht vorgekommen, dass wir ausreichend finanziert gewesen wären", sagt auch die Berliner Regisseurin und Produzentin Saralisa Volm, die den erfolgreichen Film "Fikkefuchs" produziert hat und als Regisseurin ihren Film "Schweigend steht der Wald" bei der Berlinale präsentiert hat.
 
Saralisa Volm finanziert ihre Filme oft zusätzlich über Crowdfunding, weil Fördermittel fehlen. "Ich würde es gerne nicht daran festmachen, dass ich eine Frau bin. Und trotzdem ist es so, dass die Zahlen mir etwas anderes sagen. Wir stellen einfach fest, dass Produzentinnen und Regisseurinnen von Anfang an weniger Geld bekommen. Obwohl die Frauen auf den ausgegebenen Fördereuro mehr Geld wieder einspielen, sagt man trotzdem nicht: Was könnten die wohl machen, wenn wir sie mal richtig gut finanziell ausstatten würden?"

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"Zu belanglos. Kein Kinofilm. Füllt nicht die große Leinwand"

Doch woran liegt es, dass Regisseurinnen und Produzentinnen deutlich weniger Filmförderung bekommen als ihre Kollegen? Stoffe von Frauen werden oft als Nischenthemen wahrgenommen, sagt Julia von Heinz, eine der bekanntesten deutschen Regisseurinnen.
 
Ihr Film "Und morgen die ganze Welt" war 2020 deutscher Kandidat für einen Auslands-Oscar. Zuletzt hat sie die internationale Produktion "Treasure" mit Lena Dunham und Stephen Fry gedreht. "Ich habe sehr oft selbst erlebt, dass weibliche Themen noch nicht als genauso interessant betrachtet werden wie männliche Themen. Ich habe in Gremien gesessen, wo ich ein Drehbuch über eine wunderbare Schwesterngeschichte las. Doch das Gremium war dann eher männlich besetzt und alle haben gesagt: Das ist zu belanglos. Das ist kein Kinofilm. Das füllt nicht die große Leinwand".

Julia von Heinz steht in einem blauen Pulli vor einem Busch (Quelle: picture alliance/dpa/Revierfoto).

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Auch Julia von Heinz musste am Anfang ihrer Karriere um Filmförderung kämpfen. Ihren Debütfilm "Was am Ende zählt" drehte sie mit 400.000 Euro. Danach dauerte es sechs Jahre, bis sie am nächsten Set stand, um einen Film wie "Hanni und Nanni – 2" zu drehen, der nicht unbedingt dem entsprach, was sie sich künstlerisch vorgestellt hatte. "Ich habe vor Produzenten damals verschwiegen und verheimlicht, überhaupt Kinder zu haben, als wäre das überhaupt kein Thema. All das fühlt sich im Nachhinein bedauerlich und auch grundfalsch an."

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Gerade Mütter werden benachteiligt

Mittlerweile hat sich im Fördersystem einiges zum Besseren verändert. Theoretisch können seit 2018 bei der Filmförderungsanstalt (FFA) Kosten für familienfreundliches Drehen wie Kinderbetreuung am Set im Finanzierungsplan berücksichtigt werden.
 
Doch die Realität sehe anders aus, sagt Regisseurin und Produzentin Saralisa Volm, die auch Mutter von vier Kindern ist. "Diese Kosten werden von den meist männlichen Produzenten so gut wie nie beantragt. Viele sagen dann: Ich glaube einfach nicht, dass man jeden Job mit Kindern machen kann. Und da ist ganz klar, dass damit natürlich nur die Frauen gemeint sind. Viele Produzenten setzen dann doch lieber wieder auf einen männlichen Kollegen, der eben keine Kinderbetreuungskosten verursacht."

Letztlich ist eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen nur dann erreicht, wenn die Filmfördermittel zu 50 Prozent an Frauen gehen - davon ist Julia von Heinz überzeugt. Die Regisseurin hat 2014 den Verein ProQuote Film [proquote-film.de] mitbegründet, die sich dafür einsetzt. Doch eine Quotenregelung kommt für den neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (CDU) nicht in Frage. Als Förderanreiz sei unter anderem "die Einführung eines Bonus für die weibliche Besetzung zentraler Positionen des Filmstabs eines Projektes hinter der Kamera denkbar", sagte eine Sprecherin des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien dem rbb.

Quotenregelung wirkt sich auf Frauenbilder in Filmen aus

Susanne Stürmer, die Präsidentin der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, hält an der Idee einer Frauenquote fest. Auch weil es sich auf die Frauenbilder auswirkt, die Filme vermitteln.
 
Studien der Malisa Stiftung [malisastiftung.org] zeigen, dass Frauen in deutschen Filmen zwar inzwischen fast ebenso häufig als Protagonistinnen sichtbar sind wie Männer, aber oft ein wandelndes Klischee: sehr jung, sehr dünn und oft eher mit ihrem Beziehungsstatus als mit ihrer Karriere beschäftigt. Susanne Stürmer rät dazu, den sogenannten Bechdel-Test mit Filmen zu machen.

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"Bildet Banden" - in der Filmbranche und anderswo

Damit den Bechdel-Test in Zukunft mehr Filme bestehen, rät Susanne Stürmer Frauen, selbst Produktionsfirmen zu gründen und gibt ihren Absolventinnen immer noch diesen Rat mit auf den Weg: "Banden bilden! Es ist unglaublich wichtig, dass man schon in der Hochschule seine Bande bildet, mit der man dann auch rausgeht. Die Produktion, die Kamera, das Drehbuch, diese Teams, die bleiben oft beieinander. Und darin sind Männer immer schon besser gewesen. Frauen sind da manchmal zurückhaltend. Da achten wir schon sehr darauf, dass wir das unterstützen."

Sendung: rbb Kultur, 07.06.2025, 18:30 Uhr