Die rosa Schleife „Pink Ribbon“ steht heute weltweit als unverkennbares Symbol im Bewusstsein gegen Brustkrebs. (Quelle: dpa/Tatyana Kutina)

Brandenburg Berlin Weltkrebstag: "Es tut nicht weh, sich selbst vor dem Spiegel die Brust abzutasten"

Stand: 04.02.2025 06:09 Uhr

Am 4. Februar ist Weltkrebstag. Der Verein "Das Buusenkollektiv" hilft betroffenen Frauen, um nicht allein mit einer Erkrankung umgehen zu müssen. Im Interview erzählt eine der Aktiven von ihrer Arbeit - und ihrer eigenen Erfahrung.

rbb: Frau Tadic, der Name Ihres Vereins "Buusenkollektiv" klingt erstmal lustig, der Anlass ist aber nicht. Es geht um Brustkrebs, aber auch darum, das Ganze zwar ernsthaft, aber nicht so düster anzugehen.
 
Matea Tadic: Genau. Wir wollen das Leben zeigen, das wahre Gesicht der Erkrankung und getreu unserem Motto laut, frech, wild machen wir uns mit viel Konfetti im Herzen stark für an Brustkrebs erkrankte Frauen, aber auch für Frauen, die eine Genmutation vererbt haben und bisher nicht betroffen sind.

Sind Sie haben das schmerzhaft erlebt durch ihre Mutter.
 
Meine Mama ist 2018 an Eierstockkrebs gestorben. Die Erstdiagnose kam, als ich 17 Jahre alt war. Und ja, das ganze Leben verändert sich, man muss plötzlich über Nacht erwachsen werden, also Kind oder Jugendliche sein ist da nicht mehr. Es ist ein Marathon an Krankenhausaufenthalten und an Angst.
 
Wenn dann der große Tag kommt, auf den niemand einen vorbereiten kann, und die Mama eben irgendwann nicht mehr ist, dann macht das sehr viel mit einem. Ich bin aber damit nicht allein und umso wichtiger ist es, dass es solche Vereine wie das "Buusenkollektiv" gibt, die Busenfreundinnen-Gemeinschaft, die sich unterstützt, auffängt und das aushalten lässt.

Für Sie gab es irgendwann nach der ganz schlimmen Trauer, den Moment, an dem Sie gedacht haben, ich mach was Neues mit diesem Gefühl...
 
Bei uns in der Familie ist das Besondere, dass das vererbt wurde. Ich bin Trägerin der sogenannten BRCA1-Mutation, das ist ein Gen, das jeder Mensch in sich trägt. Wenn dieses Gen nicht gut funktioniert, kaputt ist oder geschädigt ist, dann hat man ein erhöhtes Brust- und Eierstockkrebsrisiko. Meine Mama ist mit Ende 30, Anfang 40 erkrankt, was ein sehr junges Erkrankungsalter ist.
 
Wir Kinder wurden dann getestet und es wurde bei mir nachgewiesen. Daher konnte ich nicht weglaufen und musste mich dem Ding stellen. Ich war dann froh, den Verein zu finden und da meine Geschichte zu teilen, um anderen Menschen die Möglichkeit zu geben, darüber auch mal etwas zu hören.

Sie leben jetzt nicht die ganze Zeit in Angst, aber Sie werden in kleinen Intervallen überprüft?
 
Genau. Ich beschreibe das immer liebevoll als Balanceakt zwischen Hoffnung und Angst. Also die Hoffnung, dass man eben gesund bleibt, weil man diese engmaschige Kontrolle hat.
 
Ich bin seit meinem 18. Lebensjahr in einem Hochrisikoprogramm, das heißt alle sechs Monate bin ich beim Brust-Ultraschall und bei der Gynäkologin.
 
Mit 24 habe ich mich dann für einen noch deutlicheren Schritt entschieden und hab mir die Brust abnehmen lassen. Das ist eine prophylaktische Mastektomie, bei der das Brustdrüsengewebe und die Brustdrüsen entfernt werden, um das Brustkrebsrisiko von mehr als 70 Prozent auf ungefähr zehn Prozent zu senken. Und damit bin ich sehr glücklich.

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Was bietet der Verein "Buusenkollektiv" betroffenen Frauen?
 
Wir nennen uns liebevoll Busenfreundinnen und das Ziel ist, dass jede Frau, jede Busenfreundin, mindestens eine Busenfreundin an die Hand bekommt, mit der sie diesen Weg gemeinsam gehen kann. Denn es endet nicht mit der Diagnose oder dem Beenden der Chemotherapie, sondern es ist ein Riesenrucksack.
 
Wir haben verschiedene Projekte und das Herzensstück sind die "Titty Talks". Das ist ein Online-Austauschformat alle sechs Wochen, wo Betroffene zusammenkommen, über verschiedene Themen sprechen können aber auch nicht müssen. Sie können sich einfach online begegnen. Es ist egal, ob sie gerade im Krankenhaus liegen, zu Hause auf der Couch, im Urlaub. Es gibt einfach diesen Raum für Austausch.
 
Dann haben wir Projekte wie die "Titty Tints", das ist ein Kunstprojekt, wo wir zusammenkommen, die Frauen sich ausziehen, den Oberkörper bemalen, schöne Abdrücke erstellen. Damit möchte der Verein einen Startpunkt bieten, um sich dem Körper wieder anzunähern, weil es natürlich viel mit einem selbst macht. Man hat plötzlich Narben. Die Brüste sehen anders aus. Man hat vielleicht auch keine Brüste mehr oder nur noch eine.

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Da ist es wahrscheinlich wichtig, mit Frauen zu reden, die das auch erleben oder durchlebt haben...
 
Empathie hat ihre Grenzen. Wenn man nicht selbst Betroffener ist oder selbst diese Erfahrung gemacht hat, kann man sich – und das ist kein Vorwurf – nicht reinfühlen. Deswegen ist es so wertvoll, dass wir einander haben, diese Gemeinschaft haben und zusammen laut, frech und wild sind und dieses Thema enttabuisieren.
 
Wir zeigen das echte Gesicht dieser Erkrankung, weil es sehr vielfältig ist. Es ist nicht so, wie Hollywood es malt, dass man abgemagert mit Glatze zu Hause sitzt, sondern es ist viel mehr und vor allen Dingen sind einfach auch immer noch Menschen dahinter.

Ist das Thema immer noch tabuisiert?
 
Ja, absolut. Auch auf Instagram werden Fotos von unseren Narben-Shootings sofort geflaggt, weil man zu viel Brust sieht. Auch im Brustkrebskontext ist bis heute ein schwarzer Balken drüber. Es wird weggedrückt.
 
Die Menschen möchten sich damit nicht auseinandersetzen, weil es natürlich auch ein unschönes Thema ist. Und wir wollen es gerne verändern und die Revolution angehen, dass es normalisiert wird, weil eine von acht Frauen an Brustkrebs erkrankt.

Das ist wirklich ungeheuer viel, oder?
 
Ich glaube, nur zehn bis 15 Prozent aller Frauen tasten sich regelmäßig selbst ab. Letztes Jahr haben wir darum die Kampagne "Touch My Cancer" gestartet. Wir wollen einfach sensibilisieren, dass Frauen die Angst verlieren, sich selbst zu berühren, sich selbst abzutasten, denn Früherkennung rettet Leben.
 
Dafür haben wir drei akut erkrankte Frauen eingeladen, die Brustkrebs haben. Andere Frauen haben sich bereit erklärt, diesen Tumor in der Brust anzufassen und zu fühlen. Und dieser intime Moment, wie sich diese Veränderung anfühlt, wurde von einem Filmteam begleitet. Wir wollen gerne sensibilisieren, dass man das Thema nicht wegschiebt, denn Krebs sind nicht die anderen, das sind wir alle. Eine von acht kann jede von uns sein.

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Wie wichtig sind zusätzlich bekannte Frauen, Schauspielerinnen, die offen damit umgehen?
 
Jede Frau, die sich äußert, ist natürlich ein Vorbild und ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es gab ja 2013 oder 14 diesen Jolie-Effekt. Genau mit dieser BRCA-1-Mutation, weil Angelina Jolie auch Genträgerin ist und das offen und ehrlich angesprochen hat. Und genauso ist es auch mit Brustkrebs und allen anderen Arten. Es braucht immer jemanden, ein Sprachrohr, das ist enorm wichtig.

Sie plädieren dafür Vorsorge zu betreiben. Frauen sollen sich trauen, auch wenn das mit Angst behaftet ist?
 
Absolut. Früherkennung rettet Leben. Mein sehr vereinfachter Appell ist, dass man diese Alltags-Arroganz ablegt, zu denken, dass es einen nicht trifft. Niemand ist davor geschützt. Und es tut nicht weh, sich selbst vor dem Spiegel die Brust abzutasten. Wir haben auch ein Video, das zeigt, wie man sich selbst richtig abtastet. Es gibt auch kein falsches Abtasten. Jedes Abtasten ist wichtig und kann im besten Fall dazu führen, dass man es früh genug erkennt. Brust raus, Hand drauf - das kann jeder Frau das Leben retten.

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Ingo Hoppe für rbb 88,8.
 
Sendung: rbb 888, 04.02.2025, 18 Uhr