Archivbild: Pride im Berliner Bezirk Marzahn. (Quelle: dpa)

Brandenburg Berlin Wie gefährdet sind CSDs, Prides und Co. in Berlin und Brandenburg?

Stand: 20.06.2025 14:44 Uhr

Am Wochenende wird auf der Marzahn Pride, dem CSD in Eberswalde und der Fahrrad-Pride in Potsdam für die Rechte queerer Menschen demonstriert. Teils gibt es rechte Gegenveranstaltungen. Wie sicher sind Teilnehmende? Von Klaas-Wilhelm Brandenburg

  • CSDs am Wochenende stellen sich auf Anfeindungen ein
  • Polizei sieht "neue Qualität rechter Gewalt"
  • Teilnehmende können zur Sicherheit beitragen

Es seien etwa 20 Leute gewesen, erzählt Gala T., derbe queerfeindliche Beleidigungen hätten sie gerufen - im vergangenen Jahr auf der Marzahn Pride. Gala T. organisiert die Demonstration für die Rechte queerer Menschen mit, die am Samstag schon zum sechsten Mal durch den Stadtteil im Osten Berlins ziehen wird. Ihren Nachnamen möchte T. nicht öffentlich machen: "Wir bekommen schon jetzt viele rassistische und queerfeindliche Nachrichten."
 
Doch bei Bedrohungen im Netz bleibt es nicht: Genau zur gleichen Zeit wie die Marzahn Pride ist eine Demonstration unter dem Titel "Gegen Identitätsverwirrung und genderpropaganda" [sic] angemeldet - mit fast der gleichen Route wie der queere Protest.
 
Das ist wohl kein Zufall: Laut Gala T. und "Tagesspiegel" steckt die rechtsextreme Gruppe "Deutsche Jugend voran" dahinter. Deren Mitglieder hatten bereits im vergangenen Jahr versucht, den Berliner CSD zu stören. Ihr 24-jähriger Rädelsführer wurde Anfang April zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt.

Rheinsberg: Ein Teilnehmer trägt seine gesamte Bekleidung und einen Regenschirm in den Regenbogen- Farben bei der Demonstration zum Christopher Street Day (CSD). Foto: dpa
"Wir gehen nicht weg, wir unterstützen uns gegenseitig"
In Eberswalde findet am Samstag zum zweiten Mal ein CSD statt. Initiiert hat ihn der Student Maximilian Armonies. Für ihn ist es wichtig, auf die Straße zu gehen - trotz möglicher Angriffe.mehr

Unsicherheit und Angst

Es gebe deshalb viel Unsicherheit und Angst im Team der Marzahn Pride, erzählt Gala T. "Aber natürlich ist es jetzt auch umso wichtiger, auf die Straße zu gehen, präsent zu sein und den Nazis nicht das Feld zu überlassen." Sie wünsche sich, dass die Polizei die Gegendemonstration nicht in Marzahn stattfinden lasse, sondern in einem anderen Bezirk, sagt sie. "Sonst kann man auf dem Nach-Hause-Weg nicht sicher sein, dass die Menschen der Gegendemo nicht auf einen warten."
 
Eine Polizei-Sprecherin sagte rbb|24, die Einsatzplanung laufe bis kurz vor Demo-Beginn, darum könne sie noch keine Details dazu nennen, ob es bei der Route bleibt oder doch Änderungen gibt.
 
Gegendemos und Angriffe bei queeren oder queerfreundlichen Veranstaltungen sind längst keine Seltenheit mehr in Berlin und Brandenburg: Erst am vergangenen Sonntag griffen zehn bis 15 Vermummte ein Vielfalts-Fest in Bad Freienwalde an, laut Polizei wurden dadurch mindestens zwei Menschen leicht verletzt. Einer der mutmaßlichen Angreifer bekennt sich nach rbb-Informationen zu der neonazistischen Kleinstpartei "Der Dritte Weg". "Das, was dort passiert ist, könnte auch bei uns in Marzahn passieren", sagt Gala T.

Symbolbild: Ein Mann hält eine LGBTQ-Flagge in den Wind. (Quelle: dpa/Kaluthotage)
Gymnasium Bad Freienwalde startet Pride Week unter Polizeischutz
Schüler und Eltern sind am vergangenen Wochenende Zeugen der Angriffe auf das Vielfalt-Fest in Bad Freienwalde geworden. Von einer Aktionswoche wollten sie sich deshalb aber nicht abbringen lassen. Die Eröffnung wurde von der Polizei gesichert.mehr

Polizei: "Neue Qualität rechter Gewalt"

Marco Klingberg ist der Ansprechpartner der Brandenburger Polizei für queere Menschen. Durch den Angriff auf das Vielfalts-Fest in Bad Freienwalde sieht er "eine neue Qualität rechter Gewalt". Er wolle aber auch keine Ängste schüren, dass man nicht mehr auf CSDs gehen könne.
 
Proteste gegen Christopher Street Days hätten aus seiner Sicht zwar zugenommen, das zeige auch der Blick über Brandenburg hinaus - allerdings hätte die Brandenburger Polizei bisher keine Hinweise, dass es bei CSDs zu ähnlichen Angriffen wie in Bad Freienwalde kommen könnte. Die Polizei nehme regelmäßig aktuelle lagebezogene Bewertungen zu den jeweiligen CSDs vor und sei im Gespräch mit den Veranstalter:innen.
 
Klingberg empfiehlt Teilnehmenden, möglichst immer in Gruppen unterwegs zu sein und nie allein - auch auf der An- und Abreise. Je nach eigenem Empfinden sollten außerdem Regenbogenflaggen und ähnliche queere Symbole gegebenenfalls nicht zu auffällig gezeigt werden. Gruppen, die queerfeindlich wirken, und allem anderen, was man als Gefahr wahrnehme, solle man lieber aus dem Weg gehen. Im Zweifel gelte es, lieber früher als später die 110 zu wählen oder Polizist:innen anzusprechen - zum Beispiel, wenn mit Gewalt gedroht wird.

Polizei sieht sich für CSD Eberswalde "stark aufgestellt"

Für den CSD in Eberswalde, der wie der Marzahn Pride am Samstag stattfindet, habe sich die Polizei nach dem Angriff in Bad Freienwalde "in der einen oder anderen Komponente noch einmal verstärkt", sagt Roland Kamenz, Sprecher der Brandenburger Polizeidirektion Ost. Näher ins Detail gehen möchte er aus einsatztaktischen Gründen nicht. Man habe sich aber sowieso von Anfang an "stark aufgestellt".
 
Der Grund: Die in Teilen rechtsextreme AfD will am Tag des CSD ein sogenanntes Sommerfest auf dem Marktplatz veranstalten, an dem auch der CSD vorbeiziehen soll. "Wir werden dafür sorgen, dass beide Veranstaltungen störungsfrei ablaufen können", so Kamenz. Dafür sollen nicht nur Kräfte der zuständigen Polizeiinspektion Barnim im Einsatz sein, sondern auch Polizist:innen aus benachbarten Bereichen sowie die Bereitschaftspolizei und Zivilkräfte des Staatsschutzes.
 
CSD-Initiator Maximilian Armonies geht trotzdem auf Nummer sicher: "Unser Sicherheitskonzept - auch intern - ist auch darauf ausgelegt, dass es zu Angriffen kommen kann." Das CSD-Team könne zwar keinen hundertprozentigen Schutz der Teilnehmer:innen gewährleisten, "aber wir tun alles im Rahmen unseres Möglichen, eine Eskalation zu vermeiden".

Mehr erfasste queerfeindliche Straftaten

Hundertprozentige Sicherheit könne auch die Polizei nicht bieten, sagt Marco Klingberg, der Ansprechpartner für queere Menschen bei der Brandenburger Polizei. "Aber wir versuchen unser Bestes."
 
Die von der Polizei erfassten Straftaten, die sich gegen queere Menschen richten, sind in Brandenburg deutlich gestiegen: Waren es 2023 noch 68, stieg die Zahl 2024 auf 118 - etwa 74 Prozent mehr.
 
In Berlin registrierte die Initiative Maneo im vergangenen Jahr 738 Fälle und Hinweise queerfeindlicher Anfeindungen und Gewalt - etwa acht Prozent mehr als im Vorjahr. Ob aber tatsächlich mehr Taten verübt werden, lässt sich daraus nicht automatisch ableiten - es könne auch sein, dass Menschen die Taten, die passieren, einfach öfter melden als früher, so Klingberg.

Fahrrad-Pride ohne Polizist:innen auf Fahrrädern

Julia Sergon glaubt eher nicht daran, wie sie sagt. Sie organisiert die Potsdamer Fahrrad-Pride mit, die dritte queere Veranstaltung am kommenden Samstag, und sagt: "Jahr für Jahr werden die Pöbeleien und Beschimpfungen mehr – und das in einer vergleichsweise toleranten Stadt."
 
2023 habe es den ersten tätlichen Angriff auf Teilnehmende gegeben: Eine Person sei an der Regenbogenflagge vom Fahrrad gezerrt worden, der Täter konnte entkommen. Im selben Jahr riefen Jugendliche queerfeindliche Parolen, zeigten bedrohliche Gesten. "Da hat die Polizei schnell eingegriffen", sagt Sergon.
 
Es war das erste Jahr, in dem die Demonstration nicht mehr von Polizeikräften auf Fahrrädern oder Motorrädern begleitet wurde. "Wenn es dann nur am Anfang und am Ende der Fahrrad-Demo Polizeiautos gibt und mitten in der Demo etwas passiert, dauert es, bis die Beamten da sind", erklärt Sergon.
 
Im vergangenen Jahr sei dann sogar so wenig Polizei vor Ort gewesen, dass Ordner:innen teilweise selbst den Verkehr hätten regeln müssen. Sergon sagt, sie wünsche sich, dass das in diesem Jahr anders werde.

Angriff auf Besucher der Vielfaltsveranstaltung in Bad Freinewalde am 15.06.2025. (Quelle: rbb)
Woher kommt der Hass junger Rechtsextremer auf queere Menschen?
In Bad Freienwalde griffen am Wochenende mutmaßlich Rechte eine Veranstaltung für Vielfalt an. Immer wieder attackieren junge Rechte queere Menschen oder Veranstaltungen. Das liegt tief in ihrer Ideologie begründet. Von Yasser Speckmehr

Sicherheitskonzept nachgebessert

Aber auch Teilnehmende könnten zu mehr Sicherheit beitragen, meint Julia Sergon. So gäben die Potsdamer zu Beginn der Demo explizite Sicherheitshinweise, außerdem sei Alkohol bei der Pride verboten. "Wenn man sich daran hält, ist schon viel gewonnen, denn desto weniger muss man eingreifen und desto mehr kann man sich auf die Außenabsicherung konzentrieren."
 
Auch Gala T. von der Marzahn Pride hat eine Bitte an Teilnehmende: Wenn sie mitbekommen, dass andere Demonstrierende bedroht, beleidigt oder gar körperlich angegriffen werden, sollten sie schnell die bis zu 35 Ordner:innen informieren, die im Einsatz sein werden. "Damit sich niemand selbst in Gefahr bringt."
 
Diese Ordner:innen hätten im Vorfeld eine zweitägige Schulung bekommen - zum ersten Mal in der Geschichte des Marzahn Pride, sagt Gala T. "Wir haben unser Sicherheitskonzept nochmal verbessert, nachdem die Gegendemonstration angekündigt wurde." Denn auf die Polizei allein will sie sich - erst recht nach dem Angriff in Bad Freienwalde - nicht verlassen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.06.2025, 15:10 Uhr