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Brandenburg Berlin "Workation": Arbeiten, wo andere Urlaub machen
Málaga, Madeira, Malaysia: Immer mehr Menschen arbeiten im Winter von warmen und sonnigen Orten aus. "Workation" ist längst mehr als nur ein vorübergehender Trend. Doch nicht jeder kann sich das leisten. Von Juan F. Álvarez Moreno
Wenn Richard an diesem Februartag den Laptop zuklappt und in den Feierabend geht, sind es draußen fast 20 Grad. Die milde atlantische Brise ist angenehmer als der eiskalte Berliner Wind. Nachts fällt das Thermometer selten unter 10 Grad. Nach Feierabend und am Wochenende warten 150 Kilometer Küste, grüne Gebirge, neue Bekanntschaften.
Es tue ihm gut, mehrere Winterwochen auf Madeira zu verbringen und von dort aus zu arbeiten, sagt der 39-jährige Berliner. "Ich wollte dem grauen, tristen Berlin entfliehen. Die Leute sind im Winter schlecht gelaunt, und auch ich werde schlecht gelaunt. Arbeiten ist viel besser, wenn man Vitamin D bekommt."
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"Hier ist mein Internet doppelt so schnell wie in Berlin"
Richard ist einer von immer mehr Menschen aus Berlin und Brandenburg, die dem deutschen Winter entfliehen, um in wärmeren Regionen zu arbeiten. Sie erledigen ihre Jobs, wo andere Urlaub machen. Das Ganze nennt sich "Workation" – ein Kunstwort aus den englischen Begriffen "Work" (Arbeit) und "Vacation" (Urlaub). Spätestens seit der Pandemie und der Normalisierung von Homeoffice hat das Modell an Beliebtheit gewonnen.
Für Richard ist es bereits die fünfte Workation. Fast drei Wintermonate im Jahr verbringt er in Ländern wie Malaysia, Kambodscha, Thailand oder Spanien. Dieses Jahr folgen auf Madeira einige Wochen auf Gran Canaria. Neben dem angenehmen Klima sei es für ihn eine spannende Erfahrung, trotz Arbeit andere Länder kennenzulernen. In seinem Unternehmen dürfen alle Mitarbeiter bis zu fünf Wochen im Ausland arbeiten. "Ich sogar zehn Wochen als Sonderregel." Und trotz Urlaubsgefühls könne er produktiv arbeiten: "Ich bin motivierter, weil ich mich auf den schönen Feierabend freue." Ein weiterer Vorteil: "Hier ist mein Internet doppelt so schnell wie in Berlin."
Workation ist kein Trend mehr, sondern längst Realität und zunehmend gefragt
Mehrheit der Unternehmen erlaubt kein Workation im Ausland
Laut einer Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bieten inzwischen rund 15 Prozent der deutschen Unternehmen ihren Angestellten die Möglichkeit einer Workation im Ausland. Bei Firmen, die mobiles Arbeiten wie Homeoffice generell erlauben, ist Workation noch verbreiteter: Laut einer Umfrage des Verbands Deutsches Reisemanagement gestatten 43 Prozent solcher Unternehmen ihren Mitarbeitern diese Option. Zudem gilt: Je größer das Unternehmen, desto offener steht es dem Konzept gegenüber.
"Workation ist kein Trend mehr, sondern längst Realität und zunehmend gefragt", sagt Peter Neumann, Professor für Tourismuswirtschaft an der IU Internationalen Hochschule in Münster. Den meisten Menschen gehe es dabei darum, den Kopf freizubekommen und flexibler zu arbeiten. Wie viele Personen in der Region bereits eine Workation gemacht haben, ließe sich jedoch schwer ermitteln.

Arbeitgeber muss zustimmen
Wer mehrere Wochen aus dem Ausland arbeiten möchte, muss einige Dinge beachten. Zunächst ist eine Absprache mit dem Arbeitgeber erforderlich – viele Unternehmen haben mittlerweile entsprechende Betriebsvereinbarungen. Zudem müssen sozialversicherungs- und steuerrechtliche Fragen geklärt werden. Innerhalb der EU ist eine Workation meist unproblematisch, in Drittstaaten kann es komplizierter werden.
In beliebten Workation-Destinationen wie Barcelona, Málaga oder Lissabon wird die steigende Nachfrage kritisch gesehen. Denn viele Workation-Nutzer bevorzugen Ferienwohnungen, was den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt weiter belastet. Barcelona hat daher beschlossen, ab 2028 alle Airbnb-Wohnungen zu verbieten. "Ich unterstütze mit meiner Workation das System Airbnb", räumt Richard ein. "Das finde ich nicht ideal."
Mir ist schon bewusst, dass das ein sehr großes Privileg ist
Noch keine Option für die Mehrheit
Ein weiterer Kritikpunkt: Workation klingt für die meisten Arbeitnehmer und viele Selbstständige in Berlin und Brandenburg wie ein luxuriöser Traum für die Homeoffice-Elite.
"Workation ist derzeit keine Option für die Mehrheit der Gesellschaft", sagt Tourismusexperte Neumann. "Die Arbeitstätigkeit muss es zulassen und man muss es sich leisten können, denn der Arbeitgeber bezahlt es in der Regel nicht." Vor allem unter Selbstständigen und mobil arbeitenden Angestellten gewinne das Modell an Bedeutung – über alle Altersklassen hinweg. "Auch für Familien ist es ein Thema", sagt Neumann. Eltern können während der Schulferien ihre Kinder mitnehmen und ortsunabhängig arbeiten.
"Mir ist schon bewusst, dass das ein sehr großes Privileg ist, dass ich es machen kann, weil es zum einen beruflich geht und der Arbeitgeber mitmacht", erzählt Richard. Außerdem könne nicht jeder Mensch während der Workation die eigene Wohnung untervermieten – wie er es tue –, um Kosten zu sparen. Manche Kollegen könnten es aus familiären Gründen nicht tun, andere würden sich einfach nicht trauen.
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Brandenburg könnte von Workation profitieren
Während seiner Workation will Richard nicht viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bei Videokonferenzen nutzt er ein Foto seines Berliner Arbeitszimmers als virtuellen Hintergrund. "Ich möchte nicht, dass ständig gefragt wird: 'Wo bist du denn gerade, Richard?'" Stattdessen konzentriere er sich lieber auf die Arbeit, anstatt vom Wetter auf Madeira zu schwärmen. "Ich will keinen Neid erzeugen."
Wohl weniger neiderregend und warm, aber für mehr Menschen realisierbar, kann auch eine Workation hierzulande sein. Laut Professor Neumann entwickelt sich Deutschland als Workation-Ziel. Und das könnte auch für Brandenburg einen positiven Effekt haben: "Ich sehe bei Workation große Chancen für den ländlichen Raum, weil neue Zielgruppen angesprochen werden und die Nebensaison belebt werden kann." Das könne zur regionalen Wertschöpfung beitragen – wenn man die Angebote richtig steuert.
Madeira, Malta, Mark? Ob die Workation-Hotspots der Zukunft so heißen werden, bleibt abzuwarten. Für Richard und viele andere gilt jedoch: Im Winter zieht es sie dorthin, wo es warm und sonnig ist. "Man ist einfach besser drauf, wenn das Wetter gut ist", sagt der 39-Jährige. Sein Ziel für den nächsten Winter steht schon fest: "Südostasien und Australien." Dann aber nicht als Workation, sondern als viermonatige Auszeit – ganz ohne Arbeit.