Nebel über dem Yangshan Container Terminal in Shanghai.
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Folgen der US-Zölle Sorgen vor weltweiter Rezession nehmen zu

Stand: 07.04.2025 16:50 Uhr

Nach der jüngsten Eskalation der Handelsstreitigkeiten trüben sich die Perspektiven für die Weltwirtschaft zunehmend ein. Und die Krise könnte noch weitere Kreise ziehen.

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten sind nur eines der Anzeichen dafür, dass der Zoll-Schock aus den USA die weltweiten Konjunkturerwartungen zunehmend erodieren lässt. Zuletzt haben die Volkswirte der großen Bankhäuser gleich reihenweise ihre Wachstumsprognosen gesenkt.

Seit dem Wochenende beziffert die amerikanische Großbank JPMorgan die Wahrscheinlichkeit für eine globale Rezession in diesem Jahr auf 60 Prozent - nach zuvor 40 Prozent. Für die USA entspreche die diesjährige Zollerhöhung um 22 Prozent der größten Steuererhöhung seit 1968, erklärten Chefvolkswirt Bruce Kasman und sein Team. "Die Auswirkungen dieser Steuererhöhung werden wahrscheinlich noch verstärkt werden - durch Vergeltungsmaßnahmen, eine Verschlechterung des Geschäftsklimas in den USA und Unterbrechungen der Lieferkette", erklärten die Ökonomen.

Sie schlossen sich einer Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF) an, die unter der Annahme von Gegenmaßnahmen aus China und Europa eine Belastung des US-Bruttoinlandsprodukts von etwa zwei Prozentpunkten und des globalen Bruttoinlandsprodukts von einem Prozentpunkt prognostiziert. Die jüngste Antwort aus China hat dieses Ergebnis bereits wahrscheinlicher gemacht.

Wenigstens treffen die trüben Prognosen auf eine zuletzt robuste Weltwirtschaft. Für das vergangene Jahr wird das globale Wachstum auf etwa drei Prozent geschätzt. Für dieses Jahr hatte der IWF noch im Januar 3,3 Prozent vorhergesagt.

Drittes Rezessionsjahr in Deutschland?

Auch für Deutschland sind die Prognosen zuletzt deutlich vorsichtiger geworden. "In der kurzen Frist wird sich die neue Bundesregierung schwertun, den unmittelbaren Handelsschock abzufedern", schreiben die Ökonomen der Deutschen Bank in einer aktuellen Analyse.

Die bisherige Wachstumsprognose von 0,3 Prozent für 2025 könne sich als zu optimistisch herausstellen, falls sich die US-Zölle als dauerhaft erweisen sollten, so die Autoren Marc Schattenberg und Robin Winkler. "Insgesamt neigen sich die Konjunkturrisiken für 2025 in Richtung eines dritten Rezessionsjahres in Folge." Europas größte Volkswirtschaft war bereits 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft, 2024 um weitere 0,2 Prozent.

Weitet sich die Krise zur Kreditkrise aus?

Es zeigt sich, dass das Vertrauen in die Fähigkeit des US-Präsidenten Donald Trump geschwunden ist, die Geister wieder einzufangen, die er rief. Vielmehr dürften langwierige und harte Handelsgespräche die Zuversicht der Exportunternehmen weltweit längerfristig trüben.

Experten erinnern daran, dass eine derart schwerwiegende Störung des Welthandels durchaus weitere Kreise ziehen könnte. Der Blick geht hier vor allem an den US-Anleihenmarkt, wo die Risikoaufschläge für Anleihen von Unternehmen geringer Bonität (so genannte Junk Bonds) zuletzt deutlich gestiegen sind. Dieser Aufschlag zur Rendite von Staatsanleihen hat mit zuletzt 4,6 Prozent den höchsten Stand seit sechs Monaten erreicht.

Das bedeutet, dass sich die Marktteilnehmer zunehmend um Liquiditätsengpässe und Zahlungsprobleme sorgen. Schon jetzt erwarten Anleiheexperten eine höhere Ausfallrate bei Hochrisikoanleihen. Das Problem könnte noch durch Liquiditätsprobleme großer Börsenteilnehmer - insbesondere Hedgefonds, die mit viel Fremdkapital hohe Risiken eingehen - verschärft werden.

Rettung durch die Fed brächte neue Gefahren

Vor diesem Hintergrund blicken die Märkte nun verstärkt auf die Geldpolitik - und insbesondere die US-Notenbank Federal Reserve. Wie die Konjunkturprognosen verschieben sich derzeit auch die Zinserwartungen drastisch. Noch vor Kurzem erwarteten die meisten Fed-Beobachter nur noch zwei Leitzinssenkungen in diesem Jahr. Die Experten von JPMorgan gehen nun von einem Zinsschritt auf jeder Sitzung bis Januar aus - beginnend im Juni, auch wenn Fed-Chef Jerome Powell noch am Freitag wenig Bereitschaft dazu erkennen ließ. Die Leitzinsspanne würde dadurch von aktuell 4,25 bis 4,5 Prozent auf 2,75 bis 3,0 Prozent sinken. 

Der Weltkonjunktur würden solche Zinsschritte nützen - zugleich würden sie aber die Gefahr einer Stagflation heraufbeschwören, also einer stagnierenden Wirtschaftsleistung bei weiterhin hoher Inflation.

All dies deutet auf eine längerfristige Störung der globalen Wirtschaftsentwicklung hin. Auch wenn es dem US-Präsidenten und seinen Beratern gelingen sollte, die Handelsturbulenzen wieder einzudämmen: Die Wachstumsaussichten werden in diesem Jahr nicht wieder das Niveau vor dem "Tag der Befreiung" erreichen.