
EU-Finanzminister zum Zollstreit Leichtes Aufatmen nach der Horrorwoche
Trumps Zolleskapaden beunruhigen die EU-Finanzminister sehr. Auch wenn die Gefahr zunächst gebannt scheint, bleibe die Lage unsicher, warnt Wirtschaftskommissar Dombrovskis die Ressortchefs in Brüssel.
Die EU-Finanzministerinnen und -minister atmen in Warschau etwas durch am Ende einer turbulenten Woche ohne Beispiel. Der Gastgeber, Polens Ressortchef Andrzej Domanski, begrüßt, dass die US-Regierung eine befristete Pause im Zollstreit angekündigt hat. Das sei ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Auch der geschäftsführende Bundesfinanzminister Jörg Kukies erkennt Bewegung in Washington. Er sieht klare Signale, dass man in den USA die negative Reaktion der Märkte verstehe und an einer Einigung interessiert sei.
Kukies unterstützt wie andere Minister Brüssels Antwort auf die jüngste Wende in Washington: Die EU-Kommission hat ihrerseits ein erstes Paket von Gegenmaßnahmen für 90 Tage ausgesetzt und signalisiert Verhandlungsbereitschaft. Übermorgen fliegt Handelskommissar Maros Sefcovic wieder zu Gesprächen nach Washington. Dabei schließt die Kommission Gegenmaßnahmen weiter nicht aus.
Europas Finanzmarkt stabil
Europas Finanzmärkte seien trotz allem stabil, betont die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde. Nach ihren Worten beobachtet die EZB die Entwicklung an den Börsen sorgfältig. Es habe zuletzt Schwankungen gegeben. Aber in Europa und vor allem im Euroraum funktionierten Börseninfrastrukturen und der Anleihenmarkt ordnungsgemäß.
Trotzdem spricht EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis in Warschau von einem entscheidenden Augenblick in Europas Geschichte: Nicht nur die Sicherheit des Kontinents sei bedroht, sondern auch die internationale regelbasierte Ordnung als Motor für Frieden und Wohlstand.
"Lage bleibt unsicher"
Nach Dombrovskis‘ Darstellung treffen die negativen Auswirkungen des Zollstreits vor allem die USA selbst - weil Zölle die Kaufkraft einschränken, Reallöhne sinken lassen und importierte Güter für die Produktion verteuern. Der EU-Kommissar klingt in Warschau nüchterner als die Minister.
Die Lage bleibe sehr unbeständig und unsicher. Dass Washington eine Pause im Zollkonflikt verkündet habe, schaffe zwar Raum für Verhandlungen. Dombrovskis verweist aber darauf, dass die pauschalen US-Zölle für fast alle Länder weiter bestehen und die USA außerdem ihre 25-Prozent-Zölle auf Stahl, Aluminium, Autos und Autoteile aus der EU nicht ausgesetzt haben.
Europas schärfste Waffe einsetzen?
Falls Verhandlungen mit Washington scheitern, ist die EU-Kommission nach den Worten ihrer Präsidentin bereit, ihre schärfste Waffe einzusetzen und US-Dienstleistungen ins Visier zu nehmen. Wie Ursula von der Leyen im Interview mit der Financial Times erklärt, wäre etwa eine Abgabe auf Werbeeinnahmen von digitalen US-Diensten möglich.
Wirtschaftskommissar Dombrovskis verweist in Warschau darauf, dass die EU im Handel mit Dienstleistungen mit den USA anders als bei Waren ein Defizit verzeichnet und man deshalb im Zusammenhang mit möglichen Gegenmaßnahmen auch Dienstleistungen, einschließlich der digitalen, berücksichtigen müsse.
Dabei gibt Bundesfinanzminister Kukies allerdings zu bedenken, dass die schärfste Waffe der EU auch Europa selbst treffen könnte, weil die EU zu den Leistungen von US-Digitalkonzernen keine wirklichen Alternativen habe. Kukies verweist auf Gespräche mit Wirtschaftsvertretern, wonach es keine Cloud- oder KI-Anbieter von entsprechender Größe gebe, auf die man ausweichen könne.