Jean-Philippe Tanguy und Marine Le Pen im französischen Parlament

Nach Urteil gegen Le Pen Frontalangriff auf die Justiz im Parlament

Stand: 01.04.2025 18:36 Uhr

Auf den Richterspruch gegen RN-Spitzenpolitikerin Le Pen folgte eine hitzige Parlamentssitzung. Parteifreund Tanguy erhebt den Vorwurf einer "Blutrache des Systems". Demos werden organisiert, ein rasches Berufungsverfahren gefordert.

Von Julia Borutta, ARD Paris

Das politische Erdbeben nach dem Urteil gegen Marine Le Pen erfasste heute auch die französische Nationalversammlung. Erster am Mikrofon: Jean-Philippe Tanguy vom Rassemblement National (RN). Scharf zielte er auf das Gericht, das Le Pen verurteilt hat. "Wir haben es hier mit einem kleinen Haufen von Richtern zu tun, die vorgeben, Recht zu sprechen, die aber eigentlich nur Blutrache wollen."

Der 39-Jährige sprach von der "Blutrache des Systems gegen seinen einzigen Gegner: Gegen den Rassemblement National und diejenige, die uns verkörpert: Marine Le Pen." Es gebe Willkürherrschaften, die ihre Gegner einsperrten - "und es gibt hier und heute tyrannische Richter, die den Rechtsstaat öffentlich hinrichten". Es ist ein Frontalangriff auf die Justiz.

Premierminister François Bayrou bemühte sich, die Diskussion zu versachlichen. Die Regierung habe qua Gewaltenteilung nicht das Recht, die unabhängige Justiz zu kritisieren. Angesichts der sich häufenden Drohungen gegen die Richter versicherte der Premier seine bedingungslose Unterstützung für das Gericht. Doch dann kritisierte er das Urteil doch.

Gleiche Argumente wie Le Pen

Jedes schwere Urteil müsse anfechtbar sein, so Bayrou. "Und bei der sofortigen Vollstreckung der Nichtwählbarkeit, wie sie jetzt verhängt wurde, ist eine wirksame Berufung - wegen des Zeitaufwands - de facto kaum möglich."

Genau in diese Richtung argumentiert Marine Le Pen. Weil dem System nichts anderes einfalle, habe es die juristische "Atombombe" herausgeholt. Le Pen behauptete in einer Pressekonferenz am Vormittag: "Das erklärte Ziel der Richterin ist es, mich daran zu hindern, zur Präsidentin gewählt zu werden."

Damit bezieht sich Le Pen auf die Urteilsbegründung. Darin steht, dass der Entzug des passiven Wahlrechts, also die Nichtwählbarkeit, mit sofortiger Wirkung vollstreckt werden müsse. Denn andernfalls könne die Situation eintreten, dass Le Pen zur Präsidentin gewählt wird und ein Gericht erst in einem späteren Berufungsprozess die Nichtwählbarkeit bestätigt. Dies wäre eine Störung der öffentlichen Ordnung, argumentierte die Richterin: Denn dann hätte Frankreich eine Präsidentin, die eigentlich gar nicht hätte gewählt werden dürfen.

Demos am Wochenende geplant

Der Parteichef des Rassemblement National, Jordan Bardella, nennt diese Argumentation skandalös. Die Vorsitzende Richterin habe ein politisches Urteil gesprochen. Dagegen müssten die Franzosen aufstehen: "Ich glaube, Millionen von Menschen sind empört", so Bardella. "Ich fordere alle wütenden Franzosen und Französinnen auf, ihre Haltung demokratisch und friedlich auszudrücken."

Am Wochenende sollen Demonstrationen stattfinden. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen des RN sind gehalten, Kundgebungen zu organisieren, eine Petition gegen das Urteil ist im Umlauf. Währenddessen verspricht der Justizminister ein rasches Berufungsverfahren, so dass doch noch rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen 2027 geklärt werden könne, ob die nächste Instanz das harte Urteil gegen Le Pen bestätigt oder abmildert.

Premier Bayrou sagte in Richtung der Abgeordneten des Rassemblement National, das Gesetz, auf dessen Grundlage die Richter entschieden haben, sei "hier in diesem Haus" beschlossen worden. "Es ist ganz einfach: Machen Sie einen Vorschlag zu einer Gesetzesänderung - und dann entscheiden wir hier, ob wir die Bestimmungen zur Nichtwählbarkeit und der sofortigen Vollstreckung ändern." Die politische Klasse in Frankreich ist in Aufruhr.

Julia Borutta, ARD Paris, tagesschau, 01.04.2025 16:42 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 01. April 2025 um 18:00 Uhr.