
Proteste gegen türkische Regierung Mit Pikachu gegen Erdoğan
Bei den Protesten gegen die türkische Regierung mischt immer wieder ein gelbes Pokémon-Wesen mit. Seit ein Video zeigte, wie ein Demonstrant in Pikachu-Kostüm vor der Polizei floh, ist die Figur zum Symbol des Widerstands geworden.
Eine Figur aus einem Videospiel ist in der Türkei zum Symbol des Widerstands gegen die Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan geworden. Vor einigen Tagen ging ein Video viral, in dem zu sehen war, wie in der südtürkischen Stadt Antalya ein Demonstrant in einem aufblasbaren Pikachu-Kostüm vor der Polizei weglief. Die Verkleidung war damals offenbar eher zufällig gewählt, doch seitdem taucht die gelbe Pokémon-Figur immer wieder bei Demonstrationen auf - in Form von Kuscheltieren oder auf Plakaten.
Erst am Samstag gingen in der Türkei mehrere Hunderttausend Menschen im asiatischen Stadtteil Maltepe auf die Straßen, um den Rücktritt Erdoğans und die Freilassung des inhaftierten Oberbürgermeisters von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, zu fordern. In der Menge stand auch ein kleines Mädchen mit einem selbst gemalten Plakat. Darauf stand: "Ich habe dich gewählt, Pikachu."
Auch bei Solidaritätskundgebungen für İmamoğlu in Mannheim und Paris tauchten Pikachu-Figuren auf. Und selbst in Georgien ließ man sich offenbar von der kreativen Protestform inspirieren: Dort wurde ein Mann auf einer pro-europäischen Demonstration mit einer Pikachu-Kappe gesehen.
Proteste verharmlost?
Inzwischen sind auch einige KI-generierte Parodie-Videos in den Sozialen Medien zu finden. In einem Clip etwa rennt ein Pikachu-Plüschtier, das Funken versprüht, vor schwer bewaffneten Polizisten davon. In einem anderen auf der Plattform X verbreiteten Video ist zu sehen, wie ein Protestierender im Pikachu-Kostüm seine Kopfbedeckung abnimmt. Die KI lässt es so aussehen, als stecke der CHP-Politiker Kemal Kılıçdaroğlu in dem Kostüm.
Teilweise gab es auch Kritik: Einige Nutzer im Internet beklagten, der Protest werde verharmlost. Dabei sei die Polizei teils brutal gegen Demonstrierende vorgegangen. Tatsächlich setzte die Polizei in den vergangenen eineinhalb Wochen teils Tränengas, Pfefferspray, Knüppel und Wasserwerfer gegen die Demonstrierenden ein.
Laut Regierungsangaben wurden seit Beginn der Proteste rund 2.000 Menschen festgenommen, darunter mehrere Journalisten, Anwälte, aber auch viele junge Menschen. Gegen 74 Verhaftete fordert die Istanbuler Staatsanwaltschaft bis zu drei Jahre Haft in einer ersten Anklageschrift.
"Psychologische Kriegsführung"
Regierungsnahe Medien befassten sich in einer ausführlichen Diskussion sogar mit angeblichen Eigenschaften Pikachus - darunter die Fähigkeit, Feinde mit Elektrizität anzugreifen und über Blitze zu kommunizieren. Pikachu sei Teil einer gezielten Kampagne der Opposition, hieß es.
Im TV-Sender CNN Türk sagte ein Experte, die Protestierenden würden die ursprünglich aus Japan stammende Figur als Mittel "psychologischer Kriegsführung" einsetzen.
Mit Informationen von dpa und AFP