Hans-Eckhard Sommer

Migrationspolitik BAMF-Chef stellt individuelles Asylrecht infrage

Stand: 01.04.2025 07:37 Uhr

Union und SPD verhandeln über eine Begrenzung von Migration. Dem Chef des BAMF geht es in der Debatte jedoch um die falschen Punkte. Er fordert grundsätzlichere Reformen und ein Ende "alter Denkschemata".

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, hat sich für ein grundlegend anderes System für die Flüchtlingsaufnahme in Europa ausgesprochen. Es sei falsch, am individuellen Asylrecht festzuhalten und auf positive Effekte der beschlossenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu hoffen, sagte Sommer bei einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. 

Sinnvoller wäre es nach seinen Worten, das aktuelle System durch humanitäre Aufnahmen "in beachtlicher Höhe" zu ersetzen. Dabei wäre die Zahl der Menschen festzulegen, die die Europäische Union jährlich aufnähme, ebenso wie die Staaten auszuwählen wären, aus denen Menschen aufgenommen würden, sagte Sommer weiter. Neben humanitären Gesichtspunkten könne hier auch die Integrationsfähigkeit des Arbeitsmarktes eine Rolle spielen. Als Vorbild diene etwa Kanada. Wer dennoch unerlaubt nach Deutschland einreise, hätte dann keine Aussicht mehr auf ein Bleiberecht. 

Sommer war unter anderem Büroleiter des ehemaligen CSU-Chefs Edmund Stoiber. Er wurde 2018 vom damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum BAMF-Chef gemacht.

BAMF-Chef fordert Abkehr von alten Denkmustern

"Politik kann vieles, wenn sie nur will", sagte Sommer auf die Frage einer Teilnehmerin zur Umsetzbarkeit seines Vorschlags. Schließlich hätten sich zuletzt auch die Mehrheitsverhältnisse auf europäischer Ebene geändert. Auch internationale Verträge wie die Genfer Flüchtlingskonvention könnten geändert werden.

Man müsse sich "aus alten Denkschemata befreien", forderte Sommer. Mit Blick auf den Aufstieg populistischer und rechtsextremer Parteien in Europa dürfe man nicht ausblenden, dass der demokratische Rechtsstaat "an diesem Thema auch zugrunde gehen kann".

Sommer betonte, seinen Vortrag halte er nicht als BAMF-Präsident. Es gehe ihm vielmehr darum, seine "persönliche Einschätzung" und eine Zusammenfassung seiner Erfahrungen zu präsentieren. "Solange wir an unsere europäischen Werte glauben, sind wir in der Verpflichtung, Menschen in Not mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen."

Mit der Umstellung auf die humanitäre Aufnahme müssten jeglicher Anspruch auf Asyl und sonstige Schutzrechte entfallen, erklärte Sommer. Mache nicht gerade der individuelle Anspruch auf Asyl eine Steuerung der Fluchtmigration unmöglich, weil er viel zu weitgehend sei, fragte der BAMF-Chef.

Sommer: Auslagerung von Asylverfahren unrealistisch

Das aktuelle europäische System sei zynisch, sagte er. Es ziehe vor allem junge Männer aus der Mittelschicht an, während Frauen, Kranke und Familien oftmals keine Chance hätten, nach Europa zu gelangen. Die Forderung nach "Schutz der Grenzen" offenbare nur Hilflosigkeit. Die von einigen Politikern als Maßnahme zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Deutschland vorgeschlagene Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ist aus Sicht von Sommer "keine realistische Option".

In Deutschland stellten 2024 insgesamt 229.751 Menschen erstmals einen Asylantrag. Hinzu kamen 21.194 Asylfolgeanträge. Die Zahl der Erstanträge ging im Vergleich zum Vorjahr um 30,2 Prozent zurück. Eine Hauptursache für diesen Rückgang sei, dass Serbien im November 2023 die Route nach Ungarn faktisch gesperrt habe, sagte Sommer. Ob dies dauerhaft so bleiben werde, sei offen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 01. April 2025 um 10:00 Uhr.